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Kapitel 6: Mirheim

  V?llig mit der Situation überfordert starre ich ein paar Sekunden auf die Bildschirme. Welch eine überaus willkommene überraschung! Aufmerksam lese ich mir alle Fertigkeiten genau durch. Alle m?glichen Optionen sind passiver Natur und “ungew?hnlich”, was auch immer das genau hei?en mag. Grob gesagt lassen sich die Fertigkeiten in zwei Gruppen unterteilen. Antitoxin und Eiserner Wille scheinen spezialisierte Fertigkeiten zu sein, welche mir in einer bestimmten Situation weiterhelfen. Erholung und Nachtsicht würde ich hingegen in die allgemeine Kategorie packen.

  Nach reiflicher überlegung schlie?e ich die allgemeinen Optionen aus. Nachtsicht l?sst mich trotz seines Namens nicht in der Dunkelheit sehen. Im direkten Vergleich mit den anderen Fertigkeiten wirkt Nachtsicht einfach schwach.

  Ich habe bereits mehrfach best?tigt, dass sich meine Lebenspunkte von selber regenerieren. Aus diesem Grund h?rt sich Erholung ebenfalls nicht wirklich sinnvoll an. Der einzige Grund, diese Option zu w?hlen, k?nnte die h?here Heilrate sein. Mittlerweile bin ich mir sehr sicher immer 1 Leben wieder zu bekommen aber wie lange dieser Prozess genau dauert ist schwierig zu sagen. Alleine die Tatsache, dass ich meine Lebenspunkte wieder auffüllen kann, l?sst mich von dieser Fertigkeit zurück treten.

  Wie Vergiftung funktioniert habe ich auf die unsch?ne Weise mehrfach herausgefunden, aber Furcht? Was soll ich mir bitte unter einem Furchtzauber vorstellen? Wenn ich von so etwas getroffen werde, laufe ich dann schreiend davon? Erneut werde ich mir meiner eigenen Unwissenheit bewusst. Es ist schwierig eine gute Entscheidung zu treffen, wenn du nicht weisst, was die H?lfte der Dinge tut. Antitoxin klingt ?u?erst verlockend. Doch ich kann meine Augen nicht von Eiserner Wille lassen.

  Es ist die einzige Fertigkeit, die ich nicht begreife. Warum bekomme ich überhaupt eine Option, ohne einer entsprechenden Erkl?rung? Ein unsch?ner Gedanke beschleicht mich. Hat die Stimme wieder ihre Finger im Spiel? Bisher hat sie mir immer geholfen, also fast immer und nun schl?gt sie mir eine solch eine Fertigkeit vor? Ich traue den Braten nicht. Vielleicht ist es genau das, was die Stimme will, das ich denke! Hin und her gerissen entscheide ich mich schlie?lich doch für die omin?se Fertigkeit.

  Ich hoffe inst?ndig das Richtige getan zu haben. Als n?chstes kümmere ich mich um meinen Levelaufstieg.

  Ich bin beinahe ein wenig Stolz auf meinen Status. Wenn man bedenkt, wo ich angefangen habe, kann sich mein Fortschritt durchaus sehen lassen. Moment mal! Meine Erfahrungspunkte haben sich ge?ndert. Nicht das dieser Umstand pauschal etwas ungew?hnliches w?re. Immerhin habe ich auch bisher von Level zu Level mehr Erfahrung ben?tigt. Allerdings nahm ich an nun 50 Erfahrung zu ben?tigen und nicht 48. Habe ich irgendetwas verpasst? Vergebens suche ich nach einer Erkl?rung für diese Abweichung. Positiv gesehen brauche ich nun 2 Erfahrungspunkte weniger als angenommen. Manchmal sollte ich mich wohl auch über die kleinen Dinge freuen. Meinen freien Attributspunkt behalte ich vorerst. Ich m?chte erst einmal mit dieser Wegweiserin sprechen, bevor ich irgendetwas weiter an meinen Attributen ver?ndere.

  Nachdem ich nun alles dringende gekl?rt habe, nehme ich das erste Mal aktiv meine neue Umgebung war. Ich stehe auf einen kleinen Hügel, welcher von einer Lichtung umgeben ist. Hinter der Lichtung beginnt ein mich umschlie?ender Nadelwald. Der Duft der B?ume, der Natur und der frischen, klaren Luft steigern meine Stimmung immens. Der strahlend blaue Himmel rundet das Gesamtpaket stimmig ab. Von meiner Position aus kann ich in einiger Entfernung Rauchschwaden aufsteigen sehen. Passenderweise führt auch ein ausgetretener Weg in Richtung der vermeintlichen Siedlung. Hoffentlich kann mir dort jemand den Weg nach Mirheim verraten.

  Einige Minuten vergehen, bis ich etwas bemerke, was mir unter tage v?llig entgangen ist. Ich stinke fürchterlich. Nicht nur ist meine blo?e Anwesenheit eine Zumutung für jedes atmende Lebewesen, gleichzeitig sehe ich auch aus wie ein M?rder. Meine Kleidung ist v?llig hinüber. Das Einzige, was mein Abenteuer mit den Ratten einigerma?en gut überstanden hat, sind meine Schuhe. Doch auch sie sind bedeckt mit einer undefinierbaren Mischung aus Dreck, Staub und Blut. Das rote Zeug klebt mir in den Haaren und hat meine Kleidung in ein blasses Rot gef?rbt. Somit ?ndere ich meine Priorisierung und suche zun?chst nach einer Wasserstelle. Tats?chlich entdecke ich relativ schnell einen Fluss und beginne mich so gut wie m?glich zu reinigen. Das Wasser ist kalt aber das Gefühl, eine zweite, stinkende Haut abzustreifen, l?sst mich diesen Umstand schnell vergessen. Meine braunen Haare schauen nun nicht mehr ganz so furchtbar aus und wenn mich jemand sieht muss ich nicht befürchten, dass die Person direkt schreiend davon l?uft. Gegen meine blut überzogene Kleidung hilft das Waschen allerdings wenig. Egal wie sehr ich auch schrubbe, mit blo?en H?nden erreiche ich hier nicht viel.

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  Nach dieser Erfrischung setze ich meinen Weg fort. Mein einsamer Marsch wird jedoch durch einer entgegenkommenden Gruppe Menschen unterbrochen.

  Beeindruckt nicke ich der vorbeiziehenden Gruppe zu. Wie viele Ratten müsste ich wohl t?ten um so ein hohes Level zu erreichen? Als Antwort erhalte ich ebenfalls ein knappes Nicken. Die Gruppe erscheint mir auff?llig jung zu sein. Ich würde die heranwachsenden M?nner auf etwa 15 sch?tzen. Ihre Ausrüstung l?sst aber keinen Zweifel daran erkennen, dass sie es Ernst meinen. Sowohl der vermutliche Anführer, als auch einer der Level 15 Gefolgschaft sind von oben bis unten in eine Ledergarnitur eingekleidet. W?hrend die Kleidung des Anführers etwas robuster wirkt und er ein Schwert an seiner Hüfte tr?gt, scheint sich sein Kollege mit einer leichteren Variante und einen Bogen zu begnügen. Das letzte Mitglied der Gruppe tr?gt einen langen, braunen Umhang und hat eine gro?en Stab mit einem grünen Kristall an der Spitze dabei. Ehe ich mich versehe ist das Trio au?er Sichtweite und ich ?rgere mich, sie nicht nach Informationen gefragt zu haben. Egal, es werden sicherlich nicht die letzten Menschen sein auf die ich getroffen getroffen bin.

  Der Wald wird langsam lichter und gibt schlie?lich den Blick auf eine Wiesenlandschaft frei. Die Siedlung ist keine zehn Minuten mehr entfernt. Eine Holzbarrikade umgibt das Dorf. Der Schutzwall bietet genug Raum für einige hundert Leute. Der Trampelpfad führt zum einzigen Eingang in das Dorf, ein Holztor. Doch bevor ich mich dem Tor so richtig n?hern kann, werde ich bereits angeschrien: “Stop, keinen Schritt weiter!” Leicht verunsichert komme ich der Aufforderung nach. Gemütlich n?hert sich mir ein Mann in Lederkleidung.

  Meine Augen weiten sich beim Anblick seines Levels. “Sch?nen guten Tag der Herr,” begrü?e ich den Mann freundlich. Mein Gegenüber bleibt etwa zehn Meter von mir entfernt stehen und mustert mich gründlich. Statt meine Begrü?ung zu erwidern, spuckt er nur einmal auf den Boden. “Bei der Gnade des Systems, was ist denn mit dir passiert? Du siehst ja aus wie aufgefressen und wieder ausgespuckt.” Ich setze zu einer Antwort an, werde aber von dem Mann unterbrochen. “Du bist ein Abweichler oder nicht?”

  Das Wort “Abweichler” spricht der Krieger mit einer Verachtung aus, als h?tte er gerade an einer stinkenden Socke gerochen. Auch wenn mein Gegenüber seinen Speer locker in der Hand h?lt, macht er auf mich keinen besonders entspannten Eindruck. “Tut mir Leid Sir, aber ich weiss nicht mal was ein Abweichler ist. Ich wurde von Ratten angegriffen und befinde mich jetzt auf der Suche nach dem Dorf Mirheim.” Der Mann schaut mich weiter absch?tzend an. “Dann bist du wohl an deinem Ziel angekommen. Die Ansammlung von Holzhütten hinter mir ist gemeinhin als Mirheim bekannt. Was sucht jemand wie du in einem solch friedlichen Dorf wie Unserem?” “Ich muss dringend mit einer Wegweiserin namens Anna sprechen. Die Stimme sagte mir, dass sie sich wohl in diesem Dorf aufhalten soll.”

  Ehe ich mich versehe befindet sich das spitze Ende des Speeres nur wenige Millimeter von meinem Gesicht entfernt. Erschrocken hebe ich meine H?nde in die H?he. “Was willst du von ihr!”, f?hrt mich der Mann an. Ich selber versuche in einem beruhigenden Tonfall auf ihn einzureden. “Sir, ich stelle keine Gefahr für irgendjemanden dar. Alles was ich m?chte, ist mit ihr zu reden.” Der Krieger mustert mich mehrere Sekunden bevor er den Speer aus meinem Gesicht nimmt. Anschlie?end l?uft er nerv?s auf und ab und nuschelt unverst?ndliche Worte vor sich her. Schlie?lich scheint er zu einer Entscheidung gekommen zu sein und bleibt stehen. “Okay, ich lasse dich in das Dorf. Da du allerdings nicht von hier bist, musst du eine Eintrittsgebühr wie jeder andere Fremde bezahlen.” Ich nehme meine H?nder herunter. “Wie hoch ist denn die Gebühr?” “10 Sil,” ist die knappe Antwort die ich erhalte.

  10 Sil sind für mich keine kleine Summe. Allerdings habe ich wohl keine andere Wahl, au?er die Gebühr zu bezahlen. Nacheinander erscheinen zehn Silbermünzen in meiner Hand, welche ich etwas widerwillig dem Mann überreiche. Dieser nimmt die Münzen mit einem Nicken entgegen. “Okay Fremder, ich lasse dich ins Dorf. Sollte ich aber mitkriegen, dass du irgendwelchen Schabernack treibst, wirst du mich besser kennenlernen als dir lieb ist. Wegweiserin Anna sollte sich im Gildenhaus im Zentrum befinden. Du kannst es quasi nicht verfehlen und jetzt sieh zu das du Land gewinnst.” Nur zu gerne komme ich dieser Aufforderung nach und durchquere wenige Sekunden sp?ter das Tor. Ich bin immer noch etwas irritiert vom Umgangston der offensichtlichen Dorfwache. Vermutlich hat er einfach nur einen schlechten Tag und ich sollte die Angelegenheit nicht zu pers?nlich nehmen.

  Lieber beobachte ich das rege Treiben im Dorf. Fast jedes Haus scheint komplett aus Holz zu bestehen. Je weiter ich die Siedlung allerdings erkunde, desto verwirrter werde ich. Warum besitzt jeder Dorfbewohner so ein hohes Level? Ausnahmslos jede Person der ich begegne ist mindestens Level 20. Die einzigen Ausnahmen sind heranwachsende M?nner und Frauen, welche sich irgendwo zwischen Level 10 und 20 befinden und Kinder, welche allesamt Level 1 sind. Der Gipfel meiner Verwirrung ist allerdings erst erreicht, als ich einen augenscheinlichen Schwertk?mpfer identifiziere.

  Um sicher zu gehen, dass auch mit meinen Augen alles in Ordnung ist, benutze ich meine Fertigkeit sogar ein zweites Mal. Das Ergebnis ist nach wie vor das Gleiche. Ein paar Schritte weiter erhalte ich sogar drei Fragezeichen bei zwei Personen hintereinander. Somit kann es also kein Zufall sein. Au?erdem falle ich auf wie ein bunter Hund. Die Erwachsenen fangen an leise miteinander zu sprechen sobald ich au?er H?rreichweite bin und ein Kind zeigt sogar offen mit den Finger auf mich und lacht mich aus. Ich versuche alles mit einem aufgesetzten L?cheln zu überspielen.

  Allm?hlich steigt mir jedoch der Geruch von gekochten Kartoffeln in die Nase. Sofort meldet sich mein Magen zu Wort. Es ist eine gefühlte Ewigkeit her, seit ich das letzte Mal etwas gegessen habe. Eilig gehe ich dem Ursprung des wunderbaren Geruchs entgegen. Der Duft kommt von einem kleinen, h?lzernen Stand. Der Stand bietet nur eine Mahlzeit an: “Kartoffelsuppe mit M?hren: 3 Sil”. Auch wenn mich die Frau fast genau finster anschaut wie die Torwache, nimmt sie meine Münzen entgegen und ich erhalte eine dampfende Holzschüssel mit einem entsprechenden L?ffel.

  Ich breche nach dem ersten L?ffel beinahe in Tr?nen aus. Es ist zwar nicht die beste Kartoffelsuppe meines Lebens aber alleine das Gefühl, wieder etwas zu essen, ist himmlisch. Die Portion ist üppig und ich genie?e die Suppe in vollen Zügen.

  Frisch gest?rkt komme ich im Dorfzentrum an. Auch wenn hier einige verschiedene St?nde versuchen ihre Waren unter die Leute zu bringen, so stehen die Meisten doch um eine erh?hte Holzplattform versammelt.

  Erneut kann ich nur r?tseln welches Level der Mann auf der Bühne wohl haben mag. Die Frau neben ihn schaut glücklich auf die Menge, w?hrend die Stimme des Mannes lautstark über den Platz hallt. “Und genau aus diesem Grunde meine lieben Mirheimer, müsst auch ihr die Prüfungen des Systems bestehen! Es wird nicht immer leicht sein und manchmal werdet ihr euch wünschen, einfach aufgeben zu k?nnen. Doch macht euch bewusst, ihr seid nicht allein mit eurer Last. Jeder hat sein eigenes P?ckchen zu tragen und das System hat dich für diese Aufgabe auserkoren, weil nur du Dieser würdig bist. Es vertraut darauf, dass du es schaffen kannst. Solltest ihr alle mit euren Missionen erfolgreich sein, so werdet auch ihr bald, wie Sophie hier, Level 30 erreichen. Deshalb verzagt nicht und habt Vertrauen in das System. Gepriesen sei das System!”

  “Gepriesen sei das System,” antwortet ihm die Menge. Ich selber habe der Rede nur halb zugeh?rt. Der Prediger ist jetzt schon, neben der Stimme und dem Torw?chter, die dritte Person, die ein “System” erw?hnt hat. Mittlerweile tendiere ich eher dazu, dass das System etwas Gutes ist. Den Leute scheinen “das System” zumindest sehr willkommen zu hei?en und h?ren sich sogar Reden darüber an. Ich hoffe wirklich, dass die Wegweiserin mir weiterhelfen kann.

  Das Gildengeb?ude ist tats?chlich schwer zu übersehen. Es ist erst das dritte Haus, welches ich gesehen habe, dass überwiegend aus Stein erbaut ist. Es besitzt sogar ein zweites Stockwerk. Das Wort “Abenteurergilde” ist gut sichtbar über der Eingangstür lesbar. Entschlossen trete ich ein. Das innere wirkt wie ein Gasthaus. Obwohl es mitten am Tag ist, herrscht reger Betrieb und nicht nur auf einem Tisch steht bereits das zweite Bier. Zumindest glaube ich, dass es Bier ist. Die meisten Leute weisen ein Level jenseits der drei?ig auf, was drau?en auf den Stra?en, deutlich seltener der Fall war. In einer Ecke sitzen sogar ein paar besonders bedrohlich aussehende Gesellen Level 47. Level 47! Meine Ankunft wirkt sich genauso aus, wie ich es bereits erwartet hatte. Ein paar flüchtige Blicke werden untereinander ausgetauscht und hier und da unterh?lt man sich nur noch im Flüsterton weiter. Ich stelle mich zügig in die Schlange, welche zu einer Art Schalter führt. Zum Glück sind nur wenige Leute vor mir und schon bald stehe ich einem ?lteren Herrn in Lederweste gegenüber.

  “Guten Tag werter….Fremder. Womit kann ich behilflich sein?” “Guten Tag,” erwidere ich, “ich m?chte gerne mit Wegweiserin Anna sprechen, wenn das m?glich w?re.” Der Herr nickt. “Hmmm, mit Anna,” ist seine bedeutungsschwangere Aussage. “Nichts für ungut Fremder, aber besitzt du auch das n?tige Kleingeld für solch eine Dienstleistung?” Ich habe nicht damit gerechnet, erneut zur Kasse gebeten zu werden. “?hm, wie viel würde es mich denn kosten ihre Dienste in Anspruch zu nehmen?” “500 Sil pro Treffen ist der übliche Tarif für eine Rang 1 Wegweiserin.” Ich verliere jegliche Gesichtsfarbe. Hat er gerade 500 gesagt?

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