Ich wittere initial eine Finte. Für einen Zauber mit solch einer langen Wirkzeit zu gehen erscheint mir nicht besonders klug. Vielleicht liege ich aber auch komplett falsch. M?glicherweise ?hnelt ihre n?chste Fertigkeit auch nur in der Entstehung der mir bereits bekannten Todeskugel. Wer wei? schon, ob das System die junge Feuermagierin nicht doch noch mit einer dritten, offensiven Waffe ausgestattet hat. Wie sich aber nach der n?chsten, zerst?rten Flamme herausstellt, scheint Annabell das aber tats?chlich Ernst zu meinen: “Sie k?nnen jederzeit aufgeben Herr Lang. Es haben schon bessere Magier im Anblick meines K?nnens kapitulieren müssen.” Ich runzle die Stirn und beginne den n?chsten Manabolzen zu wirken. Wenn dieses “K?nnen” ausreicht um zu den fünf Besten aus ihrer Klasse zu geh?ren, dann sollte sich die Magierakademie ernsthafte Sorgen machen.
Ich warte geduldig auf die Fertigstellung von Annabells Zauber. Kurz darauf fliegt die lodernde Kugel auf mich zu. Das Geburtstagskind hat nicht mal daran gedacht, dass Projektil aus einem anderen Winkel zu schie?en. Normalerweise ist es enorm schwierig fliegende Geschosse zu treffen. Ein Pfeil ist zum Beispiel relativ klein und ziemlich schnell. Aktuell brauche ich schon eine Menge Glück um so ein Projektil erfolgreich blocken zu k?nnen. Doch die brennende Kugel ist kein Pfeil. Sie ist stattdessen gro? und eher moderat unterwegs. Mit einer kurzen Verz?gerung schicke ich ihr meinen Manabolzen entgegen. Beide Zauber kollidieren in einer grellen Explosion und reissen im Zuge dessen die verbliebene Flammenfalle mit sich. Die entstandene Hitzewelle reicht zum Glück nicht aus um mir Schaden zuzufügen. So ein Ende w?re mehr als nur ein wenig peinlich gewesen.
Der aufgewirbelte Staub gibt mir genug Zeit um meinen n?chsten Zauber zu wirken. Es wird Zeit endlich in die Offensive überzugehen. Im Laufschritt stürme ich durch die Deckung auf die Magierin zu. Annabell scheint überrascht von meinem Vorgehen zu sein. Offenbar braucht sie noch einen Moment um sich von dieser ?u?erst vorhersehbaren Entwicklung der Ereignisse zu erholen. Endlich in einer vernünftigen Zauberreichweite angekommen, feuere ich unverzüglich meinen Manabolzen ab. Die Tochter des Barons schafft es gerade noch so auszuweichen. Ich zeige mich wenig beeindruckt und zaubere den selben Zauber wieder und wieder. Eine Tatsache, welche weder bei meiner Gegnerin, noch bei Teilen des Publikums gut ankommt.
Was für eine elende Heuchelei. Ich habe mir dieses immerhin Duell nicht ausgesucht. Auch wenn ich nicht mehr glaube, dass Annabell eine echte Chance hat, sagt mein Sieg wenig über ihre F?higkeiten aus. Magier brillieren vor allem in Kombination mit anderen Klassen. In einem Zweikampf geht es allerdings einfach nur darum, wer den Zauber mit der kürzeren Wirkzeit kennt. Die Schadensmenge spielt aufgrund der niedrigen Lebenspunkte gar keine Rolle. Wenn der Gegenüber keinen Konter parat hat oder der Fertigkeit ausweichen kann, stirbt er. Da Magier aber stehen bleiben müssen um einen Zauber zu wirken, ist Weglaufen nur eine vorübergehende L?sung. Was bringen dir tausende Punkte in Intelligenz und ein bodenloser Vorrat an Mana, wenn du nicht einen Zauber aufs Feld kriegst?
Annabell schafft es trotz ihres Kleides zwei weiteren Manabolzen zu entgehen. Auch wehrt sie drei der Kugeln mit der gleichen Fertigkeit ab. Ehrlicherweise ist das bereits mehr, als ich ihr zugetraut h?tte. Allerdings brauchen wir gleich lang um den Zauber erneut zu erzeugen, was ihr wenig hilft. Das sie sich im Anbetracht des Kampfverlaufs überhaupt noch wehren kann, ist überhaupt ziemlich merkwürdig. Ich rate hier zwar nur, aber diese geworfenen Flammen haben optimistisch gesch?tzt jeweils 10 Mana gekostet. Die Todeskugel wird wohl irgendwo in der Kategorie des Wurzelfeldes mitspielen, weshalb wir insgesamt wohl bei um die 220 Mana liegen dürften. Das die Tochter des Barons über einen h?heren Intelligenzwert verfügt ist offensichtlich und keine gro?e Sache. Gleichzeitig aber auch noch über deutlich mehr Weisheit zu verfügen ist schlichtweg unm?glich. Was bedeutet, dass die junge Frau trickst.
Da ihr niemand von au?erhalb der Arena helfen kann, kommt der überraschende Manaschub wahrscheinlich von einem verzauberten Gegenstand. Die M?glichkeiten sind vielseitig. Es k?nnte alles von ihrem Zauberstab, über das Kleid, bis hin zu ihrer Halskette sein. Aber auch dieser Vorteil scheint aufgebraucht zu sein. Ansonsten würde sie sich ja kaum mit gelegentlichen Beleidigungen oder dem Zaubern eines Manabolzens begnügen. Wenn sie au?erhalb meiner Reichweite kommen k?nnte ergeben sich sicherlich ebenfalls noch M?glichkeiten, aber eine ovale Arena bietet nunmal nur begrenzt Platz.
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Mein n?chster Zauber findet endlich sein Ziel, liefert aber nicht das gewünschte Ergebnis. Um Annabell befindet sich pl?tzlich ein gr?uliches Schild, welches mein Projektil einfach verschluckt. Das ist mal etwas Neues. Ich feuere erneut einen Manabolzen, welcher genauso verschwindet wie sein Vorg?nger. Wie überaus mysteri?s. Ob meine Pflockfalle gegen so etwas funktionieren würde? Ich vermute mal eher nicht. Au?erdem m?chte ich diese Trumpfkarte nur sehr ungern preisgeben. Dieses Schild ist definitiv keine Fertigkeit einer Rang 1 Magiern. Gleich zwei verzauberte Gegenst?nde gegen mich zu verwenden ist ziemlich ernüchternd. Vielleicht kann ich es einfach abwarten? Diese Art von Fertigkeit h?lt für gew?hnlich nur eine gewisse Zeit. Alternativ ben?tigt der Zauber kontinuierlich Mana, von welchem Annabell nicht mehr viel übrig haben dürfte.
Beim Anblick der Feuermagiern f?llt mir aber auf, dass ich ein Idiot bin. Die Frau sieht ernsthaft ver?ngstigt aus. Ich wei? wie Todesangst aussieht und sich diese l?hmende K?lte anfühlt. So etwas kann man nicht schauspielern. Was mache ich hier eigentlich? Versuche ich gerade ernsthaft eine Vierzehnj?hrige in Grund und Boden zu stampfen? Alles nur wegen ein paar beschissenen Provokationen? Ich realisiere schlie?lich, dass am Ende des Tages keiner von uns dieses Duell gewonnen hat. “Ich gebe auf”, gebe ich laut und deutlich kund.
Der bl?uliche Dom um die Arena zerbricht. Auf der Tribüne macht sich unmittelbar Verwirrung breit. Herr Lester richtet als erstes das Wort an mich: “Darf ich sie nach dem Grund ihrer Aufgabe fragen?” “Ich glaube nicht mit meinen restlichen Manareserven durch das Schild ihrer Tochter kommen zu k?nnen. Dieser Weg ist sicherlicher für alle Beteiligten besser, als unn?tig auf das Zeitlimit zu warten. Frau Lester war mir mit diesem Ass im ?rmel einfach einen Schritt voraus.” Der Baron scheint für einen Moment über meine Worte nachzudenken. Schlie?lich f?ngt der m?chtigste Mann der Stadt an in die H?nde zu klatschen. Die restlichen G?ste stimmen unvermittelt in den respektvollen Beifall ein.
Es ist der Morgen des n?chsten Tages. Gespannt schaue ich Marco dabei zu, wie er in seinem Büro auf und ab wandert. Nach meiner “Niederlage” gegen Annabell hat mich der Bogenschütze diskret dazu aufgefordert, meinen Arsch schnellstm?glich nach Hause zu bef?rdern. Eine Anweisung, welche ich nur zu gern ausgeführt habe. Meine Geschichte mag zwar für die normalen G?ste überzeugend gewesen sein, jedoch haben mir meine Magierkollegen wissende Blicke geschenkt. Auch einige der Abenteurer sahen mehr als nur ein wenig skeptisch aus. Ich wei? nicht genau, was sie glauben zu wissen, aber das mit dem “m?glichst wenig Aufmerksamkeit erregen” hat nicht so gut funktioniert.
“Hast du eigentlich eine Ahnung, wieviel der Sira-Gilde dein gestriges Verhalten gekostet hat?”, fragt mich Marco ohne seinen Spaziergang zu unterbrechen. Woher soll ich das bitte wissen? Gedanken lesen geh?rt offensichtlich nicht zu meinen Fertigkeiten. Allerdings w?re so eine Antwort mehr als nur ein wenig kontraproduktiv, weshalb ich einfach den Schnabel halte. In meiner gut dreimonatigen Zeit in der Gilde habe ich ein paar Sachen verinnerlicht. Es ist zum Beispiel immer ein schlechtes Zeichen wenn der Chef dich früh am morgen sprechen will. In so einer Situation wartet man am Besten einfach auf sein Urteil.
“220.000 Sil,” antworte Marco schlie?lich auf seine eigene Frage. “Eigentlich hatte mir Herr Lester bereits die Baugenehmigung für zwei Schmieden und ein kleines Lagerhaus zugesichert. Allerdings kam er nach deinem Kindertheater zu meinte, dass das Bauland nun an einen anderen Bieter gehen würde.” Mir werden für einen Moment die Kniee weich. Ich h?tte nicht gedacht, dass der Baron ein nachtragender Mensch ist. Was wohl seine Reaktion gewesen w?re, wenn ich Annabell wirklich verletzt h?tte? Ich schaudere leicht. Manche Dinge sollten besser unausgesprochen bleiben. “Um also weitere überraschungen zu vermeiden”, f?hrt Marco fort, ”m?chte ich in den n?chsten drei Wochen nicht einmal eine Schuhsohle von dir sehen. Sophie hat einen neuen Auftrag von mir bekommen und ich m?chte, dass du ihr dabei unter die Arme greifst. Die genaueren Informationen erf?hrst du dann von ihr.” Mit dieser unmissverst?ndlichen Botschaft verlasse ich das Büro und beginne meine Suche nach der K?mpferin.
Die Freude der meisten Mitglieder der Sira-Gilder über eine gemeinsame Mission mit der kampflustigen Abenteurerin h?lt sich zumeist in Grenzen. Solche Auftr?ge haben laut den Erz?hlungen eine gewisse Tendenz zu Nahtoderfahrungen. Genau was ich nach dem gestrigen Tag gebraucht habe. Nicht nur habe ich immer noch keine Ahnung was eine elementare Zone ist, ich habe mir auch in der adligen Familie nicht gerade Freunde gemacht. Wie es mit den anderen, hohen Tieren, sowie den restlichen Magiern kann ich auch nur mutma?en.
Ich atme einmal tief durch. Wie schlimm kann meine neue Mission schon werden?