Unruhig wandert mein Blick zwischen dem Bildschirm und den Spinnen hin und her. Das kann kein gutes Zeichen sein.
Klasse, direkt zwei Aufgaben mit hohem Suizidrisiko. Jedoch zeigt das eigentlich nur, wie heikel die Situation ist. Auch wenn die Tiere in etwa “nur” so gro? sind wie ein ausgewachsener Braunb?r, sind diese Biester doch eine ganze Ecke aggressiver, schneller und z?her als die zotteligen Zeitgenossen. Wie das System überhaupt auf den Gedanken kommt, dass ich so eine Bestie t?ten k?nnte, erschlie?t sich mir nicht.
Im ersten Schritt ?ffne ich mein Gildenmenü und suche nach Sophies Namen.
Ich warte mehrere Minuten auf eine Nachricht ihrerseits, doch die K?mpferin scheint mich nicht mit einer Antwort beehren zu wollen. Entweder ist sie gerade mit anderen Sachen besch?ftigt, oder m?chte einfach nur Mana sparen. Egal was davon nun stimmt, ich werde mir wohl mal wieder selbst aus der Misere helfen müssen. Auch meine Hoffnung Aufgabe eins damit im Handumdrehen abzuschlie?en, erfüllt sich nicht. Fairerweise ist vom gesamten Camp und nicht nur Sophie die Rede. Somit muss wahrscheinlich meine Nachricht erst glaubhaft bei Ralf ankommen, bevor ich die 64.000 Erfahrungspunkte einstreichen kann.
Leider verfügt diese Mission über kein Zeitlimit bis zum Angriff. Ohne diese wichtige Information muss ich also davon ausgehen, dass es sich die momentan rastenden Spinnen jederzeit anders überlegen k?nnten. Aufgabe vier klingt zwar im ersten Moment verlockend, doch dafür bin ich einfach nicht kalt genug. In dem Wissen weiterzuleben, dass durch meine Unt?tigkeit menschliches Blut an meinen H?nden klebt, w?re zu viel für mich. Die Frage ist nur, was genau ich tun kann, ohne dabei selber den L?ffel abzugeben. Da eine direkte Auseinandersetzung mit den Ritterspinnen keine Option ist, bleibt mir nur Aufgabe 1 und 2.
Ich finde es interessant, dass das System explizit eine Trennung zwischen den beiden Punkten vornimmt. Immerhin sollte Aufgabe eins ein Kinderspiel sein, wenn ich erstmal das Camp erreicht habe. Mit diesem Hinweis scheint es aber auch andere L?sungen zu geben. Wenn ich zum Beispiel eine von diesen Rauchfackeln h?tte, k?nnte das entstehende Signal vielleicht schon ausreichen, um den Auftrag abzuschlie?en. Allerdings besitze ich keine solche Fackel. Zus?tzlich weiss ich auch nicht, ob selbst Leute mit Nachtsicht den Rauch überhaupt bemerken würden. Ein kleiner Waldbrand w?re in dieser Hinsicht wesentlich effektiver, jedoch scheitert es auch hier an der erforderlichen Ausrüstung.
In der Ferne h?re ich pl?tzlich mehrere Explosionen. Hat der Angriff etwa bereits begonnen? Allerdings l?uft meine Mission noch. Was also auch immer bei Camp Sieben gerade passiert, hat nichts mit den Ritterspinnen zu tun. Trotzdem scheinen die Ger?usche die Tiere genauso zu beunruhigen wie mich. Ich habe zwar eine Idee, die funktionieren k?nnte, aber das Risiko bei so einem Man?ver ist hoch. Wenn ich meine eigene Ausdauer bei der Ausführung untersch?tze, bin ich sowas von tot. Die n?chste Explosion hallt durch den Wald. Schei?e! Wie war das Sprichwort nochmal? Wer nicht wagt, der nicht gewinnt? Ich hoffe wenigstens, dass die Abenteuer sp?ter dankbar dafür sein werden, dass ich hier meinen Arsch für sie riskiere.
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wenige Minuten zuvor im Camp Sieben
Wir stehen auf dem Wall und starren angespannt in die Dunkelheit. Ralf hat nicht einmal gefragt, wo ich eigentlich herkomme oder was mit Torben passiert ist. “Hast du etwa den Anschluss zu den Anderen verloren?”, bekam ich als Begrü?ung zu h?ren. “Keine Sorge, im Milit?r ist bestimmt auch ein Platz für jemanden mit deinen F?higkeiten.” Am liebsten h?tte ich augenblicklich der Luftnummer mein Schwert dahin gesteckt, wo die Sonne nicht hinscheint! Doch es gibt wichtigere Probleme als Wichtigtuer in den falschen Positionen. Einer der Bewohner des Camps hat eine Nachricht von seinem Kollegen im Rettungstrupp erhalten. Offenbar war die Mission erfolgreich und die Abenteurer befinden sich aktuell auf dem Rückweg. Aus diesem Grund haben sich nun alle, die wissen wie man eine Waffe h?lt, am Tor versammelt. Die tapferen Frauen und M?nner werden von einer Horde aus Wimmerspinnen begleitet werden, welche es zurückzuschlagen gilt. Das System hat für dieses Event sogar extra eine neue Mission spendiert. Die Erfahrung sollte mehr als ausreichen, um mich auf Level 50 zu bringen.
Trotzdem fasse ich es immer noch nicht, dass Torben sich gerade wirklich unter einem Haufen aus Zweigen und Moos versteckt. Der Kerl ist so verrückt, dass er mir von Tag zu Tag ein wenig sympathischer wird. Hoffentlich bleibt mein Lieblingsmagier auch in seinem kleinen Versteck und kommt nicht auf dumme Ideen. Es w?re wirklich eine Schande, wenn so jemand Unterhaltsames sich jetzt schon die Radieschen von unten anschauen müsste.
Ich geh?re zu den Ersten, die den Rettungstrupp sichtet. Nachtsicht ist meiner Meinung nach einfach eine komplett untersch?tzte Fertigkeit. Ja, man muss sich an die verschiedenen Graut?nen erst einmal gew?hnen, aber es macht so viele Situationen wesentlich einfacher. Zus?tzlich kann man die Fertigkeit auch sehr einfach leveln, was sich wiederum positiv auf den n?chsten Rangaufstieg auswirken wird. Ich habe mich für die Verbesserung entschieden, mit der ich bei Nacht weiter sehen kann. Den Feind zuerst zu erkennen, war noch nie etwas Schlechtes.
So wie es aussieht, wird der Rettungstrupp wohl von etwa 200 Spinnen begleitet. Das k?nnte eine wundervolle Nacht werden. Ich springe vom Wall, aktiviere Hast und sprinte dem herannahenden Tumult entgegen. Die ersten Wimmerspinnen sind so fixiert auf ihre Beute, dass sie mich gar nicht bemerken.
Mein Angriff tr?gt freilich wenig dazu bei, um die rollende Ma?e aufzuhalten. Jedoch versuche ich auch eher nur die Aufmerksamkeit einer kleineren Gruppe auf mich zu ziehen. Zwei Spinnen versuchen mich mit einem Sprungangriff zu erwischen, doch selbst ohne Hast h?tten die Tiere mit so einem Man?ver keine Chance. Schnell finden sich neun besonders wütende aussehende Exemplare, welche mich bereitwillig durch den Wald jagen. Parallel dazu werden die anderen Abenteuer gerade ?hnliches versuchen. Wenn wir die ganze Meute einfach ungebremst in das Minenfeld laufen lassen, k?nnte Camp Sieben erheblichen Schaden davon tragen. Je mehr Tiere wir aber hier vorne ablenken k?nnen, desto weniger Stress haben dann die Leute hinten am Tor.
Ich werfe einen flüchtigen Blick auf die Nachricht, w?hrend gleichzeitig eine der Spinnen mit meinem Schwert Bekanntschaft macht. Mehrere Ritterspinnen k?nnten je nach konkreter Anzahl wirklich ein Problem darstellen. Eine Handvoll dieser Biester sollten mit über fünfzig Abenteurern und einem Minenfeld in der Rückhand keine Herausforderung darstellen. Wenn wir aber von mehreren Seiten und sowohl von Wimmer- als auch von RItterspinnen attackiert werden, sieht die Lage gleich ganz anders aus. Doch selbst wenn ich Ralf von Torbens Nachricht erz?hle, wird mir der Bastard nicht glauben. Dafür sitzt ihm einfach seine gl?nzende Rüstung ein Stückchen zu eng. Solange er die Biester nicht mit eigenen Augen sieht, wird der Idiot keinen Alarm schlagen. Tja Torben, h?tten wir uns gemeinsam versteckt, dann h?tten wir dem Gro?maul jetzt vielleicht einen fetten Spinnenkadaver vor die Fü?e schmei?en k?nnen. Ich überlege, ob ich meinem Kameraden irgendetwas Nützliches mitteilen k?nnte, aber mir f?llt nichts ein. Mich jetzt vom Acker zu machen ist auch keine Option mehr. Mir bleibt nur, meine Kr?fte gut einzuteilen und Vincent sowie Basil aufzusuchen. Gemeinsam k?nnen wir m?glicherweise ein paar weitere Abenteurer von der drohenden Gefahr überzeugen.
Dem Klang nach zu urteilen, haben die ersten Spinnen das Minenfeld wohl mittlerweile erreicht. Wenn ich mich recht entsinne, dann wollten die beiden Schurken die linke Flanke unsicher machen. Mal sehen, ob ich sie in diesem Getümmel ausfindig machen kann.
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So leise und vorsichtig wie nur m?glich versuche ich mich von der Last auf meinem K?rper zu befreien. Mit Adleraugen behalte ich dabei die Ritterspinnen im Blick. Die Gefahr, dass mich ein weiteres Raubtier au?erhalb meines Sichtfeldes beobachtet, ist zwar gegeben, doch bis jetzt hat mich noch nichts angegriffen. Langsam krieche ich rückw?rts aus meinem Versteck. Ein Blick nach links und rechts offenbaren lediglich B?ume und Dunkelheit. Manchmal muss man auch Glück haben. Meine Bewegungen kommen mir zwar unglaublich laut vor, aber die Spinnen scheinen sich voll und ganz auf die Explosionsger?usche zu konzentrieren.
Hinter einigen B?umen versteckt richte ich mich schlie?lich auf und atme einmal tief durch. Schritt eins lief doch schon mal besser als erwartet. Da der “einfache” Teil nun geschafft ist, gilt es im n?chsten Schritt ein paar WImmerspinnen ausfindig zu machen. Je mehr Biester ich aufscheuchen kann, desto besser. Wie gut die Idee ist, als lebender K?der zu agieren, um damit eine Schar Wimmerspinnen anzulocken, welche dann wiederum eine Gruppe Ritterspinnen für mich ablenkt, bleibt fraglich. Sich wissentlich zwischen zwei verschiedenen Ansammlungen an Raubtieren zu stellen, hat bestimmt auch schon für Andere blendend funktioniert. Allerdings sehe ich keinen anderen Weg das Camp zu erreichen und Ralf über die Vorf?lle hier zu informieren. Selbst wenn der Leiter des Camps mir nicht glauben sollte, die Meldung des Systems wird er wohl kaum ignorieren.
Für diese Selbstmordagenda muss ich aber erstmal ein paar der kleinen Biester finden. Wie sich aber herausstellt, waren die Ritterspinnen ziemlich gründlich auf ihrem Weg hierher. Der Waldboden ist gepflastert mit Kadavern. Entweder sind Ritterspinnen noch gef?hrlicher als ursprünglich gedacht, oder aber die sechs Exemplare hatten ein wenig Unterstützung bei diesem Massaker. Selbst nach mehreren Minuten finde ich kein einziges, lebendes Exemplar. Soviel zum Thema Glück. Man befindet sich in einem Wald, welcher von hunderttausenden, menschenfressenden Spinnen bewohnt wird. Aber genau dann, wenn man sie einmal wirklich gebrauchen kann, findet man natürlich keine Einzige! Allerdings verdeutlichen mir meine Funde, wie wichtig es ist, dass Ralf über die Anwesenheit der Ritterspinnen in Kenntnis gesetzt wird. Ansonsten k?nnte es wirklich zu einem Blutbad kommen.
Okay, da ich also keinen herumlaufenden Wimmerspinnen finde, bleibt mir nur noch eine M?glichkeit, ein Hausbesuch. Bei meiner Suche nach einem guten Versteck sind wir auf mehrere H?hlen gesto?en und eine davon sollte hier ganz in der N?he sein.
Ich finde mich schlie?lich in der N?he eines etwa anderthalb Meter gro?en Loches im Erdreich wieder. Ohne die Wimmerlaute, welche aus der ?ffnung erklingen, h?tte ich den Eingang wahrscheinlich nicht wieder gefunden. Da sich auch hier keine Spinne offen zeigt, bleibt mir nur freundlich anzuklopfen. Ich trete noch ein paar Schritte an das Loch heran und hole einmal tief Luft: “AAAAAAHHHHHHHHHHHH.” Es dauert nur wenige Sekunden bis mir ein Schwall an Ger?uschen antwortet. Die erste Wimmerspinne krabbelt erzürnt aus ihrem Zuhause und ich nehme augenblicklich die Beine in die Hand.