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Kapitel 45: Lester-Familie

  Ich durchquere schlie?lich das zweite Tor. Sprachlos nehme ich den Anblick des Anwesens wahr. Mir dr?ngt sich augenblicklich die Frage auf, wie viele Menschen wohl in so einem Monster von einem Haus leben k?nnten. Hinter einem Brunnen erhebt sich ein vierst?ckiger, hellgelb gestrichener Bau. Unz?hlige Fenster schauen auf mich herab. Selbst in der Breite bietet das Anwesen spielend genügend Platz für fünf normale H?user. Es ist ein Anblick, welcher bereits einen ersten Vorgeschmack auf den immensen Reichtum des Barons gibt.

  W?hrend ich mir ausmale, was für einen fantastischen Ausblick man wohl aus dieser H?he auf die Stadt und das Umland hat, f?llt mir auf, dass ich mich wahrscheinlich ein wenig zusammenrei?en sollte. Als Gaffer abgetan zu werden hinterl?sst keinen guten ersten Eindruck. Marco hat mir nur zwei Anweisungen für den Ball gegeben. Die Erste ist, keine Dummheiten anzustellen. Eine streng genommen sehr vage Formulierung, aber ich werde trotzdem versuchen mich so gut m?glich daran zu halten. Die zweite Anweisung ist, mich so gut wie m?glich vom heutigen Geburtstagskind fernzuhalten. Annabell Lester verfügt offenbar über keinen besonders angenehmen Charakter. Trotzdem ist man gut damit beraten ihr jeden Wunsch von den Lippen abzulesen. Eine zufriedene Tochter bedeutet gleichzeitig auch einen zufriedenen Baron, was wiederum gut für einen selber ist.

  Das k?nnte sich jedoch als schwierig erweisen. Als neuer Magier in der Stadt gebietet es der Anstand, den ans?ssigen Kollegen zumindest einmal hallo zu sagen. Die junge Frau Lester geh?rt unglücklicherweise zum Zirkel dieser vierzehn, teilweise sehr einflussreichen Pers?nlichkeiten. Da die Magierin aber heute im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen dürfte, werde ich wohl kaum eine l?ngere Unterhaltung mit ihr führen k?nnen. Der unbekannte Rang 1 Magier zu sein bringt immerhin auch ein paar Vorteile mit sich.

  Ich wende mich an einen der bereitstehenden Angestellten, um nach dem Weg zu fragen. Der Nouramo mustert mich für eine Sekunde. Wie ich wenig sp?ter erfahren werde, war es ein Fehler den Hasenmenschen anzusprechen. Korrekt w?re es gewesen, wenn ich mich an einen der Menschen gewandt h?tte. Selbst unter Sklaven gibt es Hierarchien: “Gewiss doch Herr Magier”, erwidert der Nouramo schlie?lich und führt eine leichte Verbeugung aus. “Dürfte ich zun?chst ihr Geschenk für Miss Lester entgegen nehmen?” “Der Anführer der Sira-Gilde hat mein Geschenk für die Tochter des Barons bereits mitgebracht”, entgegne ich. Es war nett von Marco an diese Kleinigkeit zu denken. Die Kleidung hat bereits meine Finanzen enorm strapaziert. Ein angemessenes Geschenk kann ich mir schlicht nicht leisten: “Sehr wohl, bitte folgen sie mir.”

  Allein die Dekoration in der Eingangshalle k?nnte unz?hligen Einwohnern ein besseres Leben erm?glichen. Der Boden besteht aus wei?en und schwarzen Platten, welche allesamt auf Hochglanz poliert sind. Zwei gro?e, giftgrüne Vasen ziehen den Blick des Betrachters auf sich. Sie sind mit einer Malerei aus Gold versehen. Generell findet sich das Metall überall wieder. Die Leuchter, mehrere Bilderrahmen und auch ein gigantischer Wandteppich weisen goldene Akzente auf. Es fühlt sich an, als h?tte mir jemand beim Betreten des Anwesens einen prall gefüllten Münzbeutel an den Kopf geworden. Ich versuche so unbeeindruckt wie nur m?glich zu wirken. Nur hunderttausende von Sil, welche hier zur Schau gestellt werden, keine gro?e Sache.

  Der Nouramo führt mich schlie?lich zu zwei offenstehenden Türen: “Da w?ren wir Herr Magier, der Ballraum. Ich wünsche ihnen einen angenehmen Aufenthalt”, wobei sich der Hasenmensch erneut verbeugt. Ich bedanke mich bei ihm und betrete die Halle.

  Zahlreiche Personen haben sich bereits entlang der Tische am Rande der Halle versammelt. Ich komme keine drei Schritte, bevor mir bereits von einer freundlichen Dame ein Glas Wein angeboten wird. Der Alkohol hat wenig mit dem gemein, was mir bisher unter dem Stichwort Wein bekannt war. Es schmeckt anders, weniger bitter. Ein Kenner k?nnte bestimmt einen Vortrag über die Vorzüge dieses Tropfens halten aber dafür trinke ich einfach nicht genug.

  Au?erdem geht es heute auch nicht darum sich vollaufen zu lassen. Mit gezücktem Zauberstab n?here ich mich der ersten Gruppe. Waffen sind auf so einer Veranstaltung normalerweise tabu. Für Magier gelten allerdings andere Regeln. Mit einem Zauberstab in der Hand wei? der Gegenüber so gleich, mit wem er es zutun hat. Au?erdem repr?sentiert die Waffe eines Magiers auch ein Stück weit seinen sozialen Status. Eine d?mliche Herangehensweise wenn man mich fragen würde. Einem Rang drei Magier gebührt auch dann Respekt, wenn er nur mit meinem einfachen Zauberstab in der Hand auftauchen würde. Weniger t?dlich bedeutet nicht automatisch harmlos, aber was wei? ich schon.

  Ich begrü?e Marco und Maria, welche mich wiederum den anderen G?sten vorstellen. Herr Lehmann ist ein Schrank von einem Mann. Alleine das H?ndeschütteln kostet mich drei Lebenspunkte. Wenn er sich noch weniger zurückhalten würde, dann h?tte mir der Anführer der Lehmann-Gilde glatt die Hand gebrochen. “Freut mich dich kennenzulernen”, dr?hnt der Abenteurer. “Ich habe gute Sachen über dich von Gustav und Chris geh?rt. Jemand, auf dem man sich im Notfall verlassen kann, ist immer in Torfbergen willkommen.” Ich danke dem Mann für seine netten Worte und erwidere, lediglich mein Bestes in Silberstieg gegeben zu haben.

  Neben Herrn Lehmann lerne ich auch einen seiner Stellvertreter, Fritz und Frau Messing kennen. Frau Messing betreibt regen Handel zwischen Torfbergen und der n?chsten, gro?en Stadt Turbingen. Regelm??ig fragt sie für eine Eskorte bei der Sira-Gilde an. Nach ein paar freundlichen Worten entschuldige ich mich und ziehe weiter. Es gibt einige Personen, welche ich “unbedingt” treffen sollte. Der Wegweiser der Stadt, Herr Sohm oder Herr Wagner, welcher der Besitzer des Zauberstabladens ist, geh?ren zum Beispiel dazu. Wer wei?, wann mir diese Bekanntschaften noch einmal nützlich sein werden.

  Nach einigen mehr oder weniger guten Gespr?chen entdecke ich schlie?lich einige der Magier. Wenn ich richtig liege, dann unterh?lt sich Andre gerade mit Jules, einen weiteren Windmagier. Ein Stückchen weiter zieht Lisa Korn die Aufmerksamkeit auf sich. Die Lichtmagierin ist jene Frau, welche sich um die Verwundeten in Silberstieg gekümmert hat. Anscheinend ist sie nicht nur bei den Abenteurern beliebt. Insgesamt leben jetzt fünf Wind-, vier Feuer-, zwei Licht- und Naturmagier, sowie jeweils eine Person die sich auf Erd-, beziehungsweise arkane Magie spezialisiert hat in Torfbergen.

  “Hey Andre, lange nicht gesehen”, grü?e ich den etwas verschrobenen Kerl. “Ah Torben, willkommen zum Ball”, bemerkt der Magier in einem sarkastischen Tonfall. “Darf ich vorstellen Jules Torben, Torben Jules.” W?hrend wir uns über die bereitstehenden, überaus k?stlichen H?ppchen hermachen, tut jeder von uns seinen Unmut über diese Veranstaltung kund. Andre konnte wegen dem heutigen Abend nicht an einer lukrativen Mission teilnehmen und Jules h?tte die Zeit lieber mit dem Studieren seiner neuesten Fertigkeit verbracht. Ich kann diese Art von Frust nur zu gut nachvollziehen.

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  Rina, die zweite Feuermagierin neben dem heutigen Geburtstagskind, nimmt ebenfalls am Ball teil. Obwohl sie sowohl uns, als auch Lisa definitiv gesehen hat, ignoriert sie ihre Magierkollegen. Die beiden Windmagier lassen kein gutes Haar an der Frau. Ich werde dennoch sp?ter versuchen einen eigenen Eindruck von ihr zu bekommen. Auch der Erdmagier Bruno müsste sich irgendwo hier herumtreiben, aber der Tag ist ja noch jung. Wichtiger ist für mich erstmal Andre nach dem Thema “Zone" zu fragen. Als ich jedoch gerade versuche, unsere Unterhaltung auf dieses Thema zu lenken, ert?nt eine Glocke. Alle stellen zunehmend ihre Gespr?che ein und fokussieren sich auf den Mann an der Eingangstür. Es ist der Bote, welcher die Einladung überbracht hat: “Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe G?ste, bitte begrü?en sie mit mir ihre Gastgeber des heutigen Abends die Lester-Familie.”

  Unter Applaus betreten drei Personen den Raum. Man kann ihnen direkt ihre Verwandtschaft ansehen. Sie teilen sich die blonden Haare, dieselben blauen Augen, das gleiche L?cheln. Die beiden M?nner der Lester-Familie verfügen über ein markantes Kinn. Annabells Gesicht wirkt hingegen deutlich runder und weicher. Zweifellos ein mütterlicher Einfluss. Einige Gerüchte besagen, dass der Baron deshalb so fixiert auf seine Tochter sei, weil sie seiner verstorbenen Frau so ?hnlich sehe. Falls dem so ist, dann muss die Baronin eine hübsche Frau gewesen sein. Annabell zieht bereits jetzt ein paar Blicke auf sich. Die n?chsten Monate und Jahre werden diesem Trend sicherlich keinen Abbruch tun.

  Die G?ste versammeln sich im Halbkreis um die Lester-Familie, was es mir erlaubt einen genaueren Blick auf die drei zu werfen. Die Tochter des Barons hat ein bezauberndes L?cheln aufgesetzt. Sie tr?gt Make-Up, welche sie reifer wirken l?sst. Ihr leuchtend rotes Kleid schenkt ihr die Aufmerksamkeit der G?ste. Stolz pr?sentiert sie ihren Zauberstab. In meinen H?nden würde so eine Waffe eher wie ein Spielzeug wirken, aber für die etwa 1,60 Meter gro?e Frau passt es perfekt. Verschiedene Symbole sind auf dem Holz eingeritzt. Statt einem blauen, unf?rmigen Kristall, thront auf ihrem Stab eine runde, rote Kugel.

  August Lester hat sich hingegen in einen eher unauff?lligen, tief grünen Umhang gehüllt. Der Sohn des Barons ist ein oder zwei Jahre ?lter als ich. Ein talentierter Feuermagier, welcher erst kürzlich den dritten Rang erreicht hat. Hinter der gutaussehenden Fassade versteckt sich jedoch ein grausamer Mann. Er ist zwar nicht der alleinige Grund für den schlechten Ruf der Magier, aber seine Taten haben es sicherlich nicht besser gemacht. Mehrere Geschichten kursieren in denen er aus einer Laune heraus Menschen einfach in Brand gesetzt hat. Eine B?ckerei soll letztes Jahr in Flammen aufgegangen sein, weil die Besitzer darauf bestanden, dass auch der Sohn des Barons für seine Ware bezahlen müsste. Wahrscheinlich würde es der Bev?lkerung wesentlich schlechter gehen, wenn der Vater, sowie der Berater und Privatlehrer der Familie ihn nicht im Zaum halten würden.

  Der Barons selbst sieht jünger aus als ich es erwartet h?tte. Keine Ahnung welches Wundermittel dafür verantwortlich ist, aber der Mann sieht keinen Tag ?lter als drei?ig aus. Eine Tatsache, die biologisch schier unm?glich sein sollte. Der Baron tr?gt eine dunkleorange Kombination aus Hemd und Hose. Gelbgoldene Stickereien ziehen sich über seine Kleidung. Im Gegenteil zu seinen Kindern, scheint Herr Lester einen Kurzhaarschnitt zu bevorzugen. Seine blonden Haare hat er l?ssig zurückgek?mmt. Der Mann ist definitiv in Form. Würde mich sein Anblick vermuten lassen, dass diese Person die meisten Anwesenden mit einem Fingerschnippen t?ten k?nne? Eher nicht. Allerdings will ich es auch niemals herausfinden.

  Mit wohl ge?lter Stimme richtet der Hausherr schlie?lich das Wort an seine G?ste: “Willkommen liebe Freunde, Gesch?ftspartner, Abenteurer und Einwohner meines beschaulichen Grund und Bodens. Danke, dass ihr meiner Einladung gefolgt seid und mit mir den Geburtstag meiner Tochter feiern wollt. Wir haben heute einiges zu unser aller Vergnügen vorbereitet. Wir starten in Kürze mit einer Tanzeinlage. Nur die besten meiner Angestellten wurden für diese Veranstaltung ausgew?hlt und sie brennen bereits darauf, euch ihr Talent zu pr?sentieren. Anschlie?end m?chte euch Annabell hier ihre Fortschritte als Magierin in einer kleinen Einlage demonstrieren. Anschlie?end gehen wir zum Anschneiden der Torte über, bevor wir den angefangenen Abend mit Tanz und Musik ausklingen lassen.” Der Baron erhebt sein Glas und h?lt es den G?sten entgegen. “Auf Annabell und einen wundervollen Abend.”

  Wie Herr Lester bereits angekündigt hatte, betreten wenig sp?ter eine Reihe von T?nzerinnen den Raum. Mehrere Musiker l?uten die erste Veranstaltung ein. Die Katzenmenschen sind allesamt nur leicht bekleidet. Ihre Art zu tanzen ist verführerisch. Sie wissen ihre Gliedma?en in Richtungen zu bewegen, welche ich nicht für m?glich gehalten h?tte. Trotzdem f?llt es mir schwer die Aufführung zu genie?en. Das Wort Angestellte ist in diesem Falle nur eine Umschreibung für Sklaven. Die Necamos sind nicht freiwillig hier. Sie werden nicht für ihren Auftritt entlohnt. Der Ring um ihren Hals wird zwar durch einen Schal oder ein Tuch verdeckt, aber wenn die Illusion einmal dahin ist, gibt es kein zurück mehr.

  Clara würde es hier hassen. Sie würde wahrscheinlich versuchen, dem Baron direkt an die Kehle zu springen. Wir wissen fairerweise nicht, wie die “Angestellten” hier behandelt werden. Sie k?nnten hier ein friedliches, gutes Leben haben. Die Chancen dafür sind jedoch eher gering.

  Nach der Vorführung der Necamos werden wir in einen anderen Teil des Anwesens geführt. Keine fünf Minuten sp?ter nehme ich auf der Tribüne einer Arena platz. Die Erkenntnis, dass der Baron tats?chlich einen privaten Trainingsbereich mit Platz für dutzende von Zuschauern hat, nehme ich mit einem Schulterzucken hin. Es ist frustrierend zu sehen, was mit dem n?tigen Kleingeld alles m?glich ist.

  Nachdem jeder einen Sitzplatz gefunden hat, richtet Annabell das Wort an uns: “Liebe G?ste, auch ich m?chte euch noch einmal herzlich willkommen hei?en. Es tut gut einige, vertraute Gesichter wiederzusehen. Meine letzten Monate an der Magierschule in Turbingen waren jedoch ?u?erst lehrreich.” Die Tochter des Barons zeigt auf eines der verschlossenen Tore in der Arena. “Hinter dieser Tür wartet ein ausgewachsener B?r. Diesen werde ich gleich zu einem Zweikampf herausfordern. Auch wenn ich mit dem Tier fertig werden sollte, würde ich mich trotzdem über eure Unterstützung freuen.”

  Diese Ankündigung sorgt für ein aufgeregtes Durcheinander. Auch ich begutachte die Magierin argw?hnisch.

  Das Level der Adligen ist hoch für ihr Alter, aber alleine gegen einen B?ren? Keine Chance. Selbst nach reiflicher überlegung sehe ich die Magierin nicht gewinnen. Ein ausgewachsenes Exemplar ist mindestens Level 42. Sie z?hlen nicht umsonst zu den st?rksten Rang 1 Kreaturen. Dieses Raubtier schl?gt nicht nur h?rter zu und h?lt gleichzeitig mehr aus als ein Mensch, es ist auch noch schneller. Einmal in einen Kampf verwickelt ist Weglaufen keine Option mehr. Für Nahk?mpfer sind B?ren ein absoluter Alptraum. Um so ein Schwergewicht kleinzukriegen, nutzt man für gew?hnlich die Reichweite von Bogenschützen aus. Je n?her der B?r dem Tod kommt, desto mehr Spielraum er?ffnet sich auch für die anderen Abenteurer. Magier verfügen offensichtlich auch über eine gewisse Reichweite. Doch die Grube vor meinen Augen ist gro?zügig gesch?tzt vierzig Meter lang und zwanzig breit. Das ist für einen wütenden J?ger nicht besonders viel. Die fehlende Deckung macht eine Auseinandersetzung nicht einfach. Wie zum Teufel will die Tochter des Barons diesen Kampf gewinnen?

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