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Wieder wach brauche ich erstmal einen Moment um mich zu orientieren. Mein K?rper fühlt sich an, als w?re ich mehrere Male einen Hügel hinab gerollt. Da meine Lebenspunkte allerdings voll sind, kann es auch wiederum nicht so schlimm sein. Trotzdem klingeln bei mir nach wenigen Sekunden die Alarmglocken. Ich kann kein einziges Ger?usch wahrnehmen. Ich stecke eilig meinen Kopf aus dem Eingang und werde sofort mit dem “Gesang” der Spinnen empfangen. Sowie ich aber den Vorhang wieder schlie?e, herrscht absolute Ruhe. Ein schallisoliertes Zelt erscheint mir in den allermeisten F?llen ?u?erst unpraktisch, doch ohne solche Ausrüstung kriegt man hier wahrscheinlich kein Auge zu.
Seufzend kehre ich zu meinem Bett zurück und krame etwas Essbares aus meinem Rucksack. W?hrend ich es mir in aller Ruhe schmecken lasse, gehe ich die offenen Mitteilungen des Systems durch.
Wenigstens haben sich die Strapazen der letzten Nacht ausgezahlt. Allerdings h?lt sich meine Lust auf den Rückweg bereits jetzt stark in Grenzen. Eine weitere Sache die ich nicht verstehe ist, warum ich in einem so gro?en Zelt untergebracht bin. Hier drin w?re locker genug Platz für vier weitere Personen. Stattdessen steht mir ein Tisch, zwei Stühle und ein ordentliches Bett zur Verfügung. Nicht das ich mich beschweren will, aber es würde mich schon sehr wundern, wenn jedes Zelt hier m?bliert w?re. Ich hatte sowieso vor Sophie aufzusuchen um zu erfahren, wie es nun weitergehen soll. Sicherlich kann die K?mpferin mir hierbei auf die Sprünge helfen.
Drau?en ist es bereits sp?ter Nachmittag. Die Sonne wird uns vermutlich keine zwei Stunden mehr erhalten bleiben, bevor der Wahnsinn der Nacht wieder über uns hereinf?llt. Camp Sieben sieht genauso schlicht aus, wie ich es erwartet hatte. Viele Zelte, ein paar Holzbauten, drei Steinh?user und das war es auch dann schon mit der gro?en Camptour. Ich würde mal sch?tzen, dass sich etwa achtzig Leute im Inneren der Mauer aufhalten. Allerdings ist keiner wegen der atemberaubenden Landschaft hier. So gef?hrlich es auch im Wimmerwald ist, mit den richtigen Mitteln kann man hier viel erreichen.
Abenteurer nehmen teilweise einen langen Anreiseweg auf sich, um hier Unmengen an Erfahrung zu generieren. Der Panzer der Ritterspinne kann zu robuster Kleidung weiterverarbeitet werden und das hier vorkommende Baumharz findet in der Alchemie Anwendung. Selbst für die allgegenw?rtigen Spinnweben gibt es jenseits der B?ume Abnehmer. All das sind Gründe dafür, warum die Menschen diesen Ort nicht bereits vor langer Zeit ausradiert haben. Stattdessen beschr?nken sich die wichtigen Leute weitestgehend auf eine Beobachterrolle. Nur wenn eine der drei Fraktionen droht die Oberhand über den Rest zu gewinnen, wird entsprechend eingegriffen. Sobald die Kr?fteverh?ltnisse dann wieder einigerma?en hergestellt sind, verf?llt man wieder in den Schlummermodus. Ein Prozess, welcher ein nie endendes Gemetzel innerhalb seiner Grenzen zur Folge hat.
Ich finde Sophie und Sam schlie?lich in einem der Holzh?user wieder. Das kleine Gasthaus ist zwar gut gefühlt, aber der Alkoholkonsum scheint sich in Grenzen zu halten. Bei den gepfefferten Preisen ist das auch kein Wunder. Alles kostet hier mindestens dreimal so viel wie in Torfbergen. Mein mitgebrachter Proviant wird mir noch für vier Tage reichen. Ich h?tte also absolut nichts gegen einen zügigen Aufbruch in ruhigere Gefilde.
Doch es geht hier nicht nach meinem Willen, sondern nach dem von Sophie. Die K?mpferin ist schlecht drauf. Wie ich von Sam erfahre, gab es w?hrend meiner Abwesenheit eine kleine Meinungsverschiedenheit zwischen ihr und dem Leiter des Camps. Keiner von beiden ist handgreiflich geworden, aber viel h?tte seiner Meinung nach wohl nicht mehr gefehlt. Mir fehlen die Worte als ich erfahre, dass meine Wenigkeit der Ausl?ser für diesen Streit war. Es f?llt mir immer noch schwer zu verstehen, dass Magier anders behandelt werden als der Rest. Ich fühle mich geehrt, dass die K?mpferin sich für “meine Rechte” einsetzt, doch w?re auch ein normales Zelt für mich v?llig okay gewesen. Das so eine einfache Unterkunft 60 Sil die Nacht kostet ist zwar eine riesengro?e Sauerei, aber auch das h?tte ich dank der abgeschlossenen Mission verkraften k?nnen. Offenbar ist das aber nicht das erste Aufeinandertreffen zwischen Ralf und Sophie. Ich kriege nicht viel aus der K?mpferin raus, aber offenbar ist man sich nicht nur bei meiner Behandlung uneinig.
Erst nach einigen hin und her hat sich die K?mpferin wieder einigerma?en beruhigt. Ihr Plan l?sst mich, dem System sei Dank, bis zu unserer Abreise v?llig au?en vor. Sophies erkl?rtes Ziel ist es, auf diesem Ausflug Level 50 zu erreichen. Aus diesem Grund wird sie sich die n?chsten beiden Tage einer anderen Abenteuergruppe anschlie?en, um mit ihnen gemeinsam auf die Jagd zu gehen. Sam und Ian werden in der Zeit versuchen, ein paar neue Missionen für uns an Land zu ziehen. Die hier gesammelten Materialien müssen schlie?lich auch irgendwie zurück in die Zivilisation. Basil ist ebenfalls auf Blut aus und wird Sophie begleiten. Vincent wiederum scheint ebenfalls eigene Pl?ne zu haben, weshalb ich in dieser Zeit auf mich selbst aufpassen muss. Wenn alles glatt l?uft, dann treten wir alle in drei Tagen den Rückweg an.
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Ich bin ziemlich froh darüber, dass mir ein offener Kampf gegen die Spinnen erspart bleibt. Meine momentanen M?glichkeiten in so einer Auseinandersetzung w?ren sowieso ziemlich beschr?nkt. Stattdessen werde ich mich mit dem Buch, sowie meinem Zapfensplitter-Schuss besch?ftigen. Es wird ja wohl bestimmt eine Ecke innerhalb des Walls geben, in der ich ungest?rt mit explosiven Tannenzapfen herumhantieren kann.
Wir unterhalten uns gerade über Belanglosigkeiten, als die Tür zum Gasthaus auffliegt. Im Türrahmen steht ein grimmig dreinschauender Ralf: “Es gibt Stress M?nner”, verkündet er mit lauter Stimme. “Wir haben soeben ein Rauchsignal in nordwestlicher Richtung entdeckt. Sollte wohl von Benny und seinen Leuten stammen.” W?hrend ich den Ernst der Lage noch nicht so ganz begreife, fokussieren sich alle Abenteuer gleichzeitig auf einen unbestimmten Punkt in ihrem Blickfeld. “Es sollte von fast jeder Gruppe hier jemand anwesend sein. So wie es aussieht, hat euch das System auch soeben auf den neuesten Stand gebracht. Ihr kennt alle die Regeln hier, also will ich gef?lligst in fünf Minuten ein paar entschlossene Gesichter am Tor sehen.” Der Leiter des Camps hat kaum das letzte Wort gesprochen, da stürmen bereits die ersten Abenteurer ins Freie.
“Kannst mir bitte jemand sagen, was hier gerade passiert?”, frage ich in die Runde. “Die Kurzfassung ist, dass ein paar gute Leute gerade richtig tief in der Schei?e stecken”, erkl?r Sophie. “Im Grunde genommen ist es eine Rettungsmission mit Zeitlimit. Wenn wir die Abenteurer vor Ablauf der Zeit erreichen, dann müssen sich die Spinnen m?glicherweise nach einer anderen Mahlzeit umsehen.” Die M?glichkeit, dass die Retter ebenfalls als Spinnenfutter enden k?nnten, l?sst die K?mpferin bewusst unausgesprochen im Raum stehen. Solche Missionen sind immer ziemlich riskant. Niemand wei? wie die Lage vor Ort aussieht, geschweige denn, wie viele Waldbewohner es wohl zu bek?mpfen gilt. Aus diesem Grund ist die Mindestanforderung des Systems für diese Mission auch Level 25 des zweiten Ranges. Damit erkl?rt sich auch, weshalb ich keine Meldung bekommen habe.
Eine der wenigen Regeln im Camp ist es, einander im Ernstfall unter die Arme zu greifen. Niemand erwartet von einem, dass man sein eigenes Leben in die Waggschale schmei?t. Falls aber jemand in ernsthafter Gefahr schwebt und es eine Chance auf überlebende gibt, werden augenblicklich alle erdenklichen Hebel in Bewegung gesetzt. “Ich erwarte euch beide dann am Tor”, gibt Ralf uns zu verstehen, bevor auch er sich aufmacht. “Was meinst du damit Ralf?”, fragt Sophie nach. Die K?mpferin ist offenbar genauso verwundert über seine Aussage wie ich. “Wenn wir schon einmal einen Magier hier haben, dann sollten wir ihn auch nutzen oder etwa nicht?” Das kann er doch unm?glich Ernst meinen! Das System empfiehlt für diesen Spa? nicht umsonst drei?ig Level mehr, als ich aktuell anzubieten habe. Dabei m?chte ich ausdrücklich die Betonung auf das Wort “mindestens” legen. Da drau?en kann schlie?lich alles passieren!
Der bitterb?se Blick, welchen die K?mpferin den Leiter des Camps zuwirft, spricht B?nde. Dieser reagiert ruppig: “Spar dir deine Energie lieber für die Spinnen auf. Es ist mir egal, welches Level dein Kollege hat. Die Privilegien seiner Klasse sind auch an gewisse Verpflichtungen geknüpft. Auf einen Magier, der nur D?umchen dreht, kann ich guten Gewissens verzichten. Entweder macht er, was von ihm erwartet wird, oder sein Arsch findet sich au?erhalb der Mauer wieder. “
Mit diesen ernüchternden Worten l?sst uns Ralf in der Hütte zurück. Sophie zertrümmert fluchend einen der Tische. Für eine geschlagene Minute kommt ihr alles von polierter Hohlbirne bis zum Sohn einer Hure über die Lippen. Ich schlie?e mich ihr im Stillen an. Wenn mir jetzt ein Fl?chenzauber zur Verfügung st?nde, welchen ich problemlos ein dutzend Mal wirken k?nnte, w?re alles halb so wild. Bis auf Zapfensplitter-Schuss sieht es damit aber ziemlich schlecht aus. Der Zauber ist jedoch nur effektiv, wenn die Spinne mir schon praktisch an den Oberschenkeln knabbert. Mit einem Manavorrat von 184 kann ich die Fertigkeit viermal wirken. Ohne Manatr?nke, wovon sich genau 0 in meinem Inventar befinden, mache ich dann erstmal eine ganze Weile lang nichts mehr. Eine Beschreibung, die so oder so ?hnlich auf praktisch jedem Rang 1 Magier zutrifft.
“Wir werden nicht drumherum kommen, dem Sackgesicht zu geben was er will”, verkündet Sophie mit knirschenden Z?hnen. Die K?mpferin atmet einmal tief durch, bevor sie das Wort erneut an mich richtet: “Sobald wir au?erhalb der Mauer sind, müssen wir zusammenkleben wie Sirup. Du wirst dein Bestes geben, um einigerma?en mit dem Rest mitzuhalten, w?hrend ich uns jegliche Plage vom Leib halte. Wenn wir zurückfallen, dann ist das eben so. Alles was z?hlt ist, dass wir st?ndig in Bewegung bleiben, verstanden?” Ich nicke Sophie zu. Die ernste Seite dieser Frau hat eine sehr überzeugende Wirkung. Au?erdem stehen die Chancen gut, dass ich ohne ihre Hilfe da drau?en nicht überleben werde.
Die lilafarbene Rauchs?ule am Horizont ist kaum zu übersehen. Am Tor warten bereits fast zwei dutzend Abenteuer. Ein paar M?nner schauen mich stirnrunzelnd an, doch keiner traut sich etwas zu sagen. Unter Abenteurern gibt es das Sprichwort, dass man übermütige Abenteuer bei ihrem Versuch ins Gras zu bei?en nicht aufhalten soll. W?re ich doch blo? nicht auf diesen bekloppten Ball gegangen! Das System w?re aber nicht das System, wenn es in einer solchen Situation nicht noch einen draufsetzen würde.