Soll ich jetzt Freudentr?nen darüber vergie?en, dass mich das System doch noch mit einer Mission beehrt? Nicht dass das meine Situation irgendwie verbessern würde, aber immerhin wird das Risiko jetzt entsprechend entlohnt.
Ich lese den Text mehrmals sorgf?ltig durch. Das System formuliert seine Auftr?ge nicht zuf?llig. Bereits in der Mission mit den Waldfeen hat sich gezeigt, dass aufmerksames Lesen den Unterschied machen kann. Der Text erw?hnt mit keiner Silbe einen Kampf. Stattdessen ist von verstecken oder suchen die Rede. Ich muss mich also offenbar entscheiden und kann nicht beide Aufgaben erfüllen. Verstecken scheint hierbei der “einfachere” Weg zu sein, da die Belohnung insgesamt geringer ist. Doch wo soll man sich bitte in einem Wald voller hungriger Spinnen verstecken? Auch warum ich mich ausgerechnet bis zum Anbruch der Nacht verstecken soll, erschlie?t sich mir noch nicht so ganz.
Bevor ich jedoch weiter über den Rest grübeln kann, kommt Bewegung in die Gruppe von Abenteurern. Offenbar geht es jeden Moment los. Mein Blick schweift noch einmal zur lilafarbenen Rauchs?ule. Das Signal scheint nicht allzu weit weg zu sein. Leider werden uns die Einheimischen den Weg dahin alles andere als leicht machen. Ich wende mich an Sophie, um die Details ihrer Mission zu erfragen. Der K?mpferin zufolge gilt es im ersten Schritt darum, das Rauchsignal in unter zwanzig Minuten zu erreichen. Für jeden Abenteurer in Not, welcher Camp Sieben dann wiederum lebend betritt, gibt es zus?tzliche Erfahrungspunkte und Sil. Allerdings f?llt es auch Sophie schwer einzusch?tzen, ob das nun viel oder wenig Zeit ist. Es h?ngt ganz davon ab, wie viele Tierchen uns konkret ans Leder wollen. Je früher man allerdings in solchen Szenarien eintrifft, desto h?her ist die generelle überlebenschance.
Das Tor ?ffnet sich und wir stürmen den schmalen Pfad entlang. Danach formt sich schnell ein t?dlicher Klumpen an Abenteurern. Au?er mir sind alle Anwesenden mit einer Nahkampfwaffe ausgestattet. K?cher und B?gen bekommt man im Wimmerwald nur selten zu Gesicht. Falls sich Vertreter der Fernk?mpferklasse hier aufhalten, dann sind es fast immer Fallensteller. Doch die Effektivit?t eines Schwertes oder einer Axt gegen die Einheimischen ist schwierig zu überbieten. Die ersten achtbeinigen Kreaturen lassen nicht lange auf sich warten und werden einfach nebenbei abgefertigt.
Obwohl bestimmt einige der drei?ig Mann starken Gruppe über Fortbewegungs-Fertigkeiten verfügen, prescht keiner alleine voran. Wer solche Man?ver f?hrt, überlebt wahrscheinlich nicht lange in dieser Umgebung. Der Schutz der Gruppe überwiegt jegliche, kurzatmige Gier nach Erfahrung. Denn wenn der Wimmerwald irgendetwas zu bieten hat, dann ist es eine nahezu endlose gro?e Anzahl an wütenden Gesch?pfen, die einem ans Leder wollen.
Zahlreiche Rufe hallen durch den Wald. Es wirkt fast so, als w?re die Natur selbst sauer auf uns. Doch noch scheinen die Abenteurer keine Probleme zu haben. Hin und wieder sehe ich mal aus den Augenwinkeln eine Fertigkeit aufblitzen, jedoch bekomme ich in der Mitte der Gruppe nicht allzu viel mit. Sophie l?uft direkt neben mir. Ihr Gro?schwert hat bisher noch keinen Tropfen Blut gesehen. Ich kann mir gut vorstellen, wie sehr es der Frau in den Finger jucken muss. Doch wir beide wissen, dass ihre Energie m?glicherweise sp?ter dringender ben?tigt wird.
Im straffen Laufschritt geht es vorw?rts. Eine knappe Viertelstunde bei diesem Tempo sollte zwar hart aber machbar sein. Allerdings fehlt mir so der Atem, um Sophie von meiner Mission zu berichten.
Okay, vielleicht sollte ich die Auftr?ge aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Die Mission verlangt eine klare Entscheidung von mir. Ansonsten h?tte der Titel ja auch genauso gut “Verstecken und Suchen” lauten k?nnen. Was muss denn konkret passieren, damit die jeweilige Aufgabe scheitert? Aufgabe eins w?re nichtig, wenn ich Camp Sieben vor Einbruch der Nacht zu nahe komme. Auch ohne ein Versteck wird es keine Erfahrungspunkte für diesen Auftrag geben. Der Text erw?hnt au?erdem kein spezifisches Versteck. Solange also mein Zufluchtsort mich vor den Sinnen der Spinne verbirgt, sollte jede M?glichkeit z?hlen. Das bedeutet aber wiederum, dass uns unser Weg zum Rauchsignal an keine geeigneten Platz führen wird. Ansonsten k?nnte ich ja erst nach den Abenteurern suchen und mich danach irgendwo verstecken.
Wenn ich mich für Option eins entscheiden sollte, dann bleiben mir noch 76 Minuten, um einen geeigneten Ort zu finden. Mein Bewegungsspielraum im Wimmerwald ist aber sehr eingeschr?nkt. Da nur ich diese Mission bekommen habe, wird das System auch keine spektakul?ren Leistungen erwarten. Selbst mit Sophies Hilfe schaffen wir es nicht zu einem Platz, der einen drei?igminütigen Marsch voraussetzt. Der beste Ort, um nach einem Versteck zu suchen, w?re die n?here Umgebung von Camp Sieben. Jede Spinne im Umkreis von hunderten von Metern nimmt wahrscheinlich gerade die Verfolgung auf. Zurück bleibt dann ein fast unbewohntes Waldstück, in dem man sich mehr oder weniger ungest?rt nach einem Versteck umsehen kann.
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Option zwei hingegen gew?hrt mir nur dann keine Erfahrung, wenn ich keinen der Abenteurer in Not finde. Für diesen Auftrag scheine ich auch zeitlich erstmal nicht eingeschr?nkt zu sein. Allerdings finde ich an dieser Aufgabe zwei Sachen merkwürdig. Je mehr Erfahrung es für eine Mission gibt, desto mehr verlangt sie einem auch ab. Jedoch erscheint mir eine gr??ere Gruppe an Abenteurern wesentlich sicherer, als wenn Sophie und ich alleine durch den Wald wandern. Dieser Gedankengang l?sst mich vermuten, dass der bevorstehende Kampf am Rauchsignal ein paar ?u?erst unsch?ne überraschungen parat halten k?nnte. Immerhin best?tigt auch der Missionstext, dass nicht alle überleben werden.
Die andere Ungereimtheit ist, warum das System die Belohnung pro gefundenen Abenteurer vergibt. Solange man allerdings nicht v?llig den Verstand verloren hat, bleibt man immer bei seinem Rettungssignal. Das es aber diese Unterscheidung gibt bedeutet, dass sich nicht alle zu rettenden Personen am gleichen Ort befinden. Vielleicht wurde einer von ihnen h?ufig gebissen, sodass er oder sie nicht mehr weiterk?mpfen konnte. Der Rest drohte in Folge dessen überrannt zu werden, weshalb sie sich zur Flucht gezwungen sahen. Solch eine Bet?ubung h?lt stundenlang, weshalb die Tiere erst alle St?renfriede ausschalten werden, bevor man sich dann in Ruhe der Nahrungsaufnahme zuwendet. Seinen Kameraden am Rauchsignal zurückzulassen, w?re also nicht zwangsl?ufig die schlechteste Idee.
Natürlich ist das nur eine von mehreren M?glichkeiten. Doch je l?nger wir mit dem Einsammeln der Abenteurer besch?ftigt sind, desto mehr Spinnen werden sich uns dabei auch in den Weg stellen. St?ndige K?mpfe führen zur Ersch?pfung, welche wiederum zu Fehlern führen. Zus?tzlich sitzt uns auch noch das schwindende Tageslicht im Nacken. Die letzte Nacht hat mir bereits gereicht um zu wissen, dass hier erst nach Sonnenuntergang die Party so richtig losgeht.
Will ich mein m?gliches überleben wirklich einem Versteck anvertrauen, von dem ich nicht einmal wei? ob es existiert? Wie gef?hrlich wird unsere Auseinandersetzung mit den Spinnen werden? K?nnen wir überhaupt alle Abenteurer in Not finden oder sind wir am Ende selber diejenigen, welche Hilfe gebrauchen k?nnten? Ich habe nicht den leisesten Schimmer. Doch es muss eine Entscheidung her, denn ansonsten übernehmen andere diese für mich. Was würden die Abenteurer denn verlieren, wenn ich mich für Aufgabe eins entscheide?
Die Antwort auf diese Frage trifft mich innerlich wie ein Schlag ins Gesicht: Sie würden absolut gar nichts verlieren. Vier halbgare Zauber sind alles, was ich zu dieser Rettungsaktion beitragen kann. Ich kenne weder eine Heil-, noch einen Verst?rkungszauber und meine defensive Fertigkeit ist gegen Nahk?mpfer nutzlos. Auch habe ich keine Ahnung darüber, wie f?hig die Leute um mich herum sind. K?nnen drei?ig Abenteurer es im reinen Nahkampf mit zweihundert Spinnen aufnehmen? Wenn ja, was ist dann mit fünfhundert? Wenn es hart auf hart kommt, wird man mir dann zur Seite stehen oder lieber erstmal nach sich und seinen Kameraden schauen? Sophie vertraue ich gerne mein Leben an, doch bei dem Rest sieht das anders aus. Ich h?tte gerne mein Schicksal weitgehend selber in der Hand. Wenn dafür ein gutes Versteck n?tig ist, dann sollte ich mich wohl besser schleunigst auf die Suche danach begeben.
“Hey… Sophie…vertraust du.. mir?” frage ich sie nach Luft lechzend. Die K?mpferin runzelt die Stirn: “Wie kommst du jetzt auf einmal darauf?'' Ich ignoriere ihre Frage und werde einen Ticken langsamer. “Wir müssen… uns tot stellen….wie letzte Nacht.” Auf die Frage hin, ob ich bereits an meine k?rperlichen Grenzen angekommen sei, schüttle ich nur den Kopf. Schnell finden wir uns am hinteren Ende der Gruppe wieder. Ich würde wirklich, wirklich gerne vermeiden was gleich passieren wird, doch mir f?llt leider auf die schnelle keine bessere L?sung ein.
Mit dem n?chsten Schritt versuche ich mich m?glichst elegant auf den Boden zu werfen. Sophie versucht noch nach meiner Hand zu greifen, doch schafft es glücklicherweise nicht. Meine Angst, dass die letzten Abenteuer aus Versehen auf mich treten, erweist sich als unbegründet. Die Spinnen wiederum scheinen damit überhaupt kein Problem zu haben. Unz?hlige Beine und K?rper huschen über meinen K?rper. Nicht die Nerven verlieren Torben, blo? nicht die Nerven verlieren.
Ich h?re auf die Luft anzuhalten. Sie sind endlich weg. Ich kann den Schwarm immer noch laut und deutlich h?ren, doch die Wimmerspinnen sind nun vorerst nicht mehr mein Problem. Mir l?uft ein eiskalter Schauer den Rücken runter, verfluchte Mistviecher. Ich richte mich auf und sehe wenige Meter von mir entfernt Sophie liegen. Meine Güte sieht die Frau sauer aus. Hoffentlich l?sst sie mich erst ausreden bevor sie mir an die Kehle springt: “Ich wei?, dass es nicht unbedingt danach aussieht, aber ich habe einen wirklich guten Grund für diese Entscheidung.”
Ich setze gerade zu meiner Erkl?rung an, als ein Bildschirm in meinem Sichtfeld aufploppt.