Kathleen musste die ganze Scharade schon von Vorherein geplant haben.
Den Ball hatte sie dieses Jahr sicherlich mit Absicht in das karkovsche Stadttheater gelegt, denn dieses liegt praktisch direkt neben ihrem Fürstensitz und den Elfen viel weiter weg zu bringen, w?re Rhiscea auch nicht bereit gewesen.
Vor dem Spiegel sitzend, beobachtet die Fürstin, wie Ruby ihre langen, roten Haare zu einer komplizierten Flechtfrisur zusammenschnürt. Es ziept und zwickt, aber sie h?lt tapfer durch.
Auch wenn sie viel lieber mit ihrem selbst geflochtenen Zopf auf den Ball gehen würde, so ist ihr Bewusst, dass das wohl nicht für ein so gesellschaftlich hohes Zusammentreffen reichen wird.
Offene Haare sind ebenfalls keine Option. Als gemeinhin akzeptabel gelten nur Flecht- oder Hochsteckfrisuren und im aller schlimmsten Fall vielleicht noch ein Pferdeschwanz. Lange, nicht zusammengebundene Haare sind eine Tradition der Elfen und die oberen Klassen der Gesellschaft versuchen sich davon m?glichst weit zu distanzieren.
Für Elfen bedeuten lange, freie Haare Ungebundenheit und Entscheidungsmacht über ihr eigenes Leben. Nur bei tragischen Ereignissen im Familien oder Freundeskreis sind sie gewillt diese abzuschneiden oder abzubrennen.
Einem Elfen seine langen Haare zu nehmen oder nur zusammenzubinden ist für sie eine Demütigung, wie keine andere und viele Herren haben gelernt, das für die Kontrolle ihrer elfischen Arbeitskraft auszunutzen.
Eine durchaus akzeptable Methode, wie die Fürstin findet, schlie?lich ist sie effektiver als Schl?ge oder leere Drohungen und hinterl?sst keinen tats?chlichen Schaden.
Ruby steht auf und bringt die Fürstin damit aus ihren Gedanken in die Realit?t zurück.
Rhiscea dreht den Kopf und betrachtet die fertige Frisur im Spiegel vor ihr. Ihre Geschworene hatte sich mal wieder übertroffen. Von dem, was die Fürstin im begrenzten Winkel sehen kann, ist sie fasziniert. Die durch kleine Str?hnen und beinahe unsichtbare Haarnadeln gebildeten Muster sind atemberaubend.
Sie dreht sich zu ihrer Ritterin um.
“Danke, Ruby. Ich wei? das wirklich zu sch?tzen.”
Diese nickt ihr freundlich zu und dreht sich zum Gehen, doch die Fürstin h?lt sie auf.
“Bist du sicher, dass du nicht mitkommen willst?”, fragt sie ihre Ritterin noch einmal.
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Ruby hebt die H?nde im Kreuz vor ihre Brust und wirft Rhea dabei einen bestimmenden Blick zu.
Seufzend gibt Rhiscea auf.
“Dann werde ich die Horde gepuderter Tiere wohl alleine überstehen müssen.”
Ein Schmunzeln stiehlt sich auf Rubys Gesicht und sie verschwindet durch die Tür in den Gang.
Vor dem Geb?ude warten bereits zwei Wachen mit dem gefesselten Elfen in ihrer Mitte, sowie zwei Kutschen.
Bevor sie in die ersten der beiden W?gen steigt, wendet sie sich noch einmal zum Vampir um.
Dieser hebt bei ihrem Anblick absch?tzig eine Augenbraue. Rhea fühlt sich auf der Stelle ihrer Würde beraubt. In dem grünen, bodenlangen Kleid kommt sie sich l?cherlich vor und keine noch so versichernden Worte ihrer Ritter k?nnen daran etwas ?ndern. Um genau zu sein hatte nur Ruby einige beruhigende Worte in Zeichensprache für sie, Malo fand ihren gesamten Aufzug unglaublich witzig.
“Ich würde dir empfehlen auf keine dummen Ideen zu kommen, w?hrend wir dort sind.”
Sie macht eine Pause und schiebt den bis zur Hüfte zerschnittenen, ab dem Knie doppelt gelegten Stoff ihres Cocktailkleides zur Seite, um ein an ihrem Bein befestigtes Messer zu zeigen.
“Ich werde nicht z?gern, dir selbst vor einem vollen Ballsaal die Kehle durchzuschneiden”, versichert sie dann kühl.
Der Elf schaubt, macht aber keine Anstalten zu wiedersprechen und so steigt sie in die erste Kutsche ein.
Die Fahrt ist sehr kurz und sie ist sich sicher, dass sie die Entfernung h?tte genauso gut laufen k?nnen, aber zu Fu? auf einem Ball zu erscheinen, ist selbst für sie zu demütigend.
Als sich die Pforte des Theaters ?ffnet und sie in den Eingangsbereich tritt, drehen sich die K?pfe einiger G?ste in ihre Richtung um. Die Menschen im Foyer stehen in kleinen Gruppen zusammen und unterhalten sich lachend mit je einem Glas Wein in der Hand.
Sie spürt die Blicke in ihrem Nacken, w?hrend sie zu einer dieser Gruppierungen hinzutritt.
“Rhea!”, begrü?t die Fürstin der Frühlingsstadt sie stürmisch und wirft sich ihr samt ihrem Weinglas in die Arme. Glücklicher Weise bleibt das Glas heil und die Flüssigkeit darin verl?sst es auch nicht.
“Ich bin so froh, dass du kommen konntest.”
“Danke für die Einladung”, antwortet die Fürstin h?flich, w?hrend sie aus dem Augenwinkel die anderen G?ste im Kreis beobachtet.
“Fr?ulein Rhiscea, ich freue mich sehr, sie wiederzusehen”, meldet sich ein ?lterer Herr zu Wort.
Der Graf der Frühlingsstadt ist einer der angenehmeren Pers?nlichkeiten auf der G?steliste. Die Fürstin sch?tzt seine H?flichkeit und sein Desinteresse an dem aktuellen Tratsch und Gerede.
“Ich denke, es sind Gratulationen angebracht, Lady Rhiscea, schlie?lich haben sie mit ihrem Fang das gesamte Reich beeindruckt.”
Der braunhaarige Mann neben dem Grafen, der gerade gesprochen hat, nimmt von dem Tablet eines vorbeigehenden Dieners ein Weinglas und reicht es der Fürstin, die dankend annimmt.
“Auf ihre vergangenen und zukünftigen erfolgreichen Jagden.”, prostet er ihr zu und der gesamte Kreis hebt seine Getr?nke mit ihm.
“Lady Rhiscea, wenn ich fragen darf…”
Der dritte Gast wird von den sich ?ffnenden Türen zum Tanzsaal unterbrochen, durch die gerade der Eigentümer des Theaters tritt.
Er klopft mit einem silbernen L?ffelchen an den Rand seines Glases und das Klirren l?sst augenblicklich Stille unter den Versammelten einkehren.
“Meine Damen und Herren”, beginnt er mit fester Stimme, “Ich darf sie hier und heute herzlich zum diesj?hrigen Herbstball begrü?en.”
N?chstes Kapitel: 25.02. “Alte Bekannte”