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019.3 Erniedrigung (Teil 3)

  In ihrer zierlichen, ja fast schon knochigen Hand hielt Gabriela ihr Messer. Das glei?ende Licht war verschwunden und das Ziel ihres Hasses lag bewusstlos auf dem Boden wenige Meter vor ihr. Selbstzufrieden setzte sie nun Schritt um Schritt in dessen Richtung. Dann blieb sie vor ihm stehen. Auf den Burschen hinabblickend, der etwas verdreht auf dem Rücken dalag, ?nderte sie nun ihren Griff um das Messer, damit sie es in einer herabfallenden Bewegung in diesen hineinsto?en konnte! War Wenzels Reise etwa schon zu Ende? So oder so würde die Revolution ohne ihn fortleben. Er war weder deren Ursprung noch deren Organisator. Doch solcherlei Dinge waren von keiner Bedeutung für die Thronr?uberin, welche einzig und allein von ihren ideologischen Zielen besessen war. Alles andere spielte in ihren Augen keine Rolle. Die Frau holte mit ihrer Stichwaffe aus. War es das?

  Nein! Wie aus heiterem Himmel stie? sie Amalie pl?tzlich von hinten um. Die Dame fiel seitlich auf den Boden direkt neben Wenzel, doch versuchte m?glichst ihr Messer zu umklammern, um es nicht zu verlieren. Amalie rannte herbei und stampfte ihr mit aller Kraft auf die Hand mit dem Messer. Nach ein paar Tritten lie? sie von der Waffe ab. Natürlich versuchte Gabriela es sofort mit der anderen Hand zu schnappen, doch dem machte das M?dchen einen Strich durch die Rechnung. Sie trat es so weit weg wie m?glich. Das Ding polterte und sprang über den leicht unebenen Boden ans andere Ende des Raumes, wo das Fenster war. Leider war es nicht gleich bei diesem hinausgeflogen. Gabriela heulte auf und eilte wie verrückt dem Messer nach. Innerhalb kürzester Zeit hatte sie es wieder aufgehoben. Dann sprach sie: ?So, du Miststück, ich…“ Sie unterbrach sofort, was sie soeben sagen wollte, denn, als sie sich umdrehte, erblickte sie Amalie mit einem Schwert in H?nden! Es war das Schwert, das Wenzel mit sich gebracht hatte, welches die Dame in ihrer Manie v?llig ignoriert hatte.

  Mit entschlossenem, teils wütendem Blick schaute das M?dchen nun Ihrer Hoheit entgegen. Gabriela stand da wie ein begossener Pudel. Sie konnte weder nach vorne noch zurück. Die Reichweite ihrer Waffe würde garantieren, dass sie bei einem Angriff auf diejenige, die sich jetzt schützend vor den Jungen stellte, auch verletzt werden würde. Das w?re ihr egal, aber ihre Chance, den Magier jetzt noch zu t?ten, hatte sich nun zu ihren Ungunsten ins Negative verschoben. Eine Zeit lang standen sie sich nun in einer Pattsituation gegenüber. Niemand sagte etwas oder machte einen Schritt. Beide starrten sich nur an. Gabriela verstand, dass sie genauso wie dass M?del, das ihr gegenüberstand, nicht besonders stark war. Beide waren gleich schlecht darin ihre Gegnerin zu eliminieren. Doch für Amalie war es eine Frage von Leben oder Tod. Sie wusste nicht, ob Wenzel wieder aufwachen würde, aber sie wusste, dass ihn zu beschützen, der richtige Schritt war. Immer mehr zeichnete sich die Nervosit?t und Verzweiflung in Frau Cornels Gesicht ab.

  Dann Schritt sie hinüber. Sie lief nicht nach vorne auf Amalie zu, sondern tats?chlich zur Seite, zu der Tür, die vom Turm hinab führte! Sie hatte die Entscheidung gef?llt, dass sie die Wachen aufsuchen würde, um mit deren Hilfe zu gewinnen, selbst wenn dies wom?glich die Flucht Amalies erm?glichen würde. Aber das M?dchen war sowieso nicht ihr Ziel. Als die Dame bei der einzigen Türe im Zimmer hinauslief atmete Amalie erleichtert auf. Danach wandte sie sich gleich Wenzel zu. Sie schaute ihm ins Gesicht. Seine Augen waren verschlossen, ganz so als ob er schlief. ?Hey, Wenzel!“, rief sie seinen Namen. Es kam keine Antwort. Sie klatschte ihm aufs Gesicht und rief erneut nach ihm. Immer noch keine Reaktion. Dies war sehr schlecht. Wenn er nicht bald aufwachte, würden sie beide erledigt sein!

  Leise war eine Stimme von weit her zu h?ren. Es war eine weibliche Stimme, die einen sch?nen Klang hatte, jedoch traurig und verzweifelt klang. Durch die Dunkelheit schien pl?tzlich ein einzelner, dünner Lichtstrahl. Durch einen horizontalen Spalt fiel dieser herein und Wenzel ging diesem entgegen, weil er wissen wollte, was dort war. Der Bursche kam wieder zu sich und ?ffnete langsam seine Augen. Vor sich erblickte er Amalie, die über ihm kniete. Er schaute sich ganz kurz im Raum um. Dann wurde ihm wieder bewusst, was gerade geschehen war. Er erblickte das Amulett am Boden, dessen roter Edelstein nun in zwei Stücke zerbrochen war. Er war nicht tot! Dann hob er den Gegenstand auf und steckte ihn ein, so wie er es immer getan hatte. ?Komm, Wenzel! Wir müssen weg von hier!“, dr?ngte die ihn. Sie hatte natürlich recht, aber der junge Mann war immer noch etwas benebelt und blickte hinunter auf seine Handfl?chen. Er fühlte sich ganz anders. Er war wieder ganz. In sich spürte er, dass seine Seele wieder zu ihm zurückgekehrt war. ?Was machst du? Komm schon!“, warf das M?dchen ihm entgegen und zog ihn am Arm.

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  Doch er verweigerte ihr Dr?ngen Richtung Tür und zog seinen Arm wieder zu sich. Dann sprach er endlich: ?Wieso die Tür hinunter? Wir müssen doch weg von hier.“ Dies erntete einen verwirrten Blick Amalies. Wenzel stellte klar: ?Wir fliegen natürlich!“ Dann stieg er auf den Fenstersims hinauf und hielt ihr seine Hand entgegen. ?Halt dich an mir fest. Dann k?nnen wir gemeinsam wegfliegen.“ Sie z?gerte keinen Moment und tat dies. In der Tat war seine Magie nicht verloren. Ganz im Gegenteil war sie nun zu ihm zurückgekehrt und er würde kein Amulett mehr ben?tigen, um Zauberei wirken zu k?nnen! Wenzel stie? sich ab und flog davon. über die Geb?ude und dann die Mauern der Schutzburg hinweg und dann knapp oberhalb der Spitzen eines Haufens anTannenb?umen. Sie hatten es geschafft. Wenzel hatte Amalie gerettet, doch eigentlich hatte auch Amalie ihn gerettet. Sie hatten sie gegenseitig gerettet. Das n?chste Ziel war Greifenburg. Er würden den Jungs einiges zu erkl?ren haben…..

  Auf dem Flug nach Greifenburg hatte Wenzel nun viel Zeit nachzudenken. Er fühlte sich ……anders. Es war schwer zu beschreiben, doch das Zerbrechen des Amuletts, welches offenbar die Rückkehr seiner Seele in seinen K?rper bewirkt hatte, hatte zur Folge, dass er sich nun ungewohnt fühlte. Er war immer noch derselbe und er nahm auch alles immer noch auf dieselbe Weise wahr. Dennoch verspürte er irgendeine Art von Ver?nderung in sich. Vermutlich war es einfach, weil er nun wieder ?normal“, also nicht mehr von seiner Seele getrennt war. So oder so war die Reise anstrengend und sie mussten ein paar Mal Pausen dazwischen machen, bevor die beiden in der Stadt ankommen würden. Die Festungsstadt lag weit weg und sie mussten einmal im Freien übernachten, auch wenn die Reise sehr viel schneller war als mit jedem anderen Transportmittel.

  Am Abend machte Wenzel ihnen ein Lagerfeuer, um sich in der Nachtkühle zumindest etwas warm halten zu k?nnen. Zum Glück war es nicht mehr Winter. Dabei unterhielten sie sich natürlich auch ein wenig im Schein des Lagerfeuers. Amalie sah nun wesentlich entspannter aus als zuvor. ?Und du bist jetzt wirklich einer von den Revolution?ren?“, fragte sie ihn. ?Ja. Allerdings weniger aus überzeugung als eher deshalb, weil sie die Einzigen waren, die mich nicht ausl?schen wollten“, erwiderte er offen und ehrlich. Sie nickte ihm zu, so als ob sie verstanden h?tte. Wenzel starrte nun ein wenig ins Leere. Dann sagte er ihr schlie?lich etwas z?gerlich aber doch: ?Ich…..Es tut mir leid wegen dem, was mit Aurel damals passiert ist. Das alles war nur ein unglücklicher Unfall. Ich wünschte ich k?nnte die Zeit zurückdrehen, aber leider kann ich das nicht. Meine Kr?fte hatte ich bis dahin damals nur sehr selten benützt, wodurch ich sie noch nicht richtig kontrollieren konnte. Jetzt ist das schon anders, aber damals wusste ich nicht, dass Magie anscheinend mit den Emotionen in Verbindung steht. Mein Zorn ?brach“ einfach aus.“

  Amalie konnte klar sehen, dass ihn die Sache verfolgt hatte. ?Ich verstehe es. Und ich verzeih dir, okay?“ – ?Okay“, kam es kurz zurück. Amalie selbst wollte eigentlich auch einfach mit der Angelegenheit abschlie?en. Natürlich hatten sie die Vorkommnisse damals schockiert, doch verstand sie, dass dies alles nur ein Unglück war. Und Wenzel hatte sicher mehr darunter gelitten als sie. Immerhin war Aurel ja sein Bruder gewesen, w?hrend sie ihn noch gar nicht so lange gekannt hatte. ?Lassen wir die Vergangenheit ruhen. Ich verstehe jetzt was passiert ist. Was geschehen ist, ist geschehen.“ Wenzels Gesichtsausdruck milderte sich ein wenig in Reaktion darauf. Beide schwiegen sie nun kurz. Dann stellte Amalie ihm aber die quintessentielle Frage: ?Warum bist du gekommen, um mich zu retten?“ Das machte den Zauberer nun sichtlich verlegen und er z?gerte ein wenig, bevor er antwortete. ?Ich wollte nicht, dass noch jemand wegen mir stirbt. Ich empfand es daher als meine Pflicht, obwohl ich wusste, wie gef?hrlich es war.“ Seine Erwiderung machte nun das M?dchen etwas verlegen.

  Als sie dann noch ein wenig dasa?en, fiel ihr aber noch etwas ein: ?Was ist denn mit deinen Haaren passiert? Soll das so sein?“ – ?Was meinst du?“, fragte Wenzel verwirrt. ?Na, deine helle Str?hne. Die ist ja fast schon wei?.“ Der Betroffene hatte keine Ahnung, was sie meinte. Er hatte aber auch keinen Spiegel, um sich anzusehen. Nach seiner Rückkunft in die Stadt würde er sich dann selbst vergewissern, dass er tats?chlich eine wei?e Str?hne bekommen hatte. Das war sehr ungew?hnlich, aber vermutlich ein Resultat vom Stress, den die Eskapade mit dem Amulett verursacht hatte. Den restlichen Abend erz?hlte Wenzel ein wenig, was er im letzten Jahr alles gelernt und getan hatte. Er beschrieb sein Schwertkampftraining mit Brahm und seine Fortschritte mit Magie. Die meisten traurigen Vorf?lle, wie etwa den mit Isidor, lie? er aus. Amalie h?rte zu, wollte aber nicht viel von sich erz?hlen. Es gab nicht sehr viel, was w?hrend ihrer Gefangenschaft passiert war. Bald darauf legten sie sich dann schlafen. Der n?chste Tag würde wieder eine anstrengend lange Reise werden.

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