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023.1 Ein schwacher Kaiser

  Eine eher ?ltere Dame mit grauen Haaren, welche sie hinten in einem Haarknoten trug, stand inmitten eines Kellerraumes. Es war feucht und kühl hier unten und die Kerzen in den Ecken des gro?en Raumes halfen nur bedingt diesen ausreichend zu erhellen. In der Hand hielt die sehr professionell gekleidete und sich ebenso geb?rdende Frau ein Schreibbrett, auf dem sie Notizen machte. Sie inspizierte n?mlich momentan genau das Steinrelief, welches sich auf der Wand vor ihr befand. Dieses bildete einen K?nig um Zentrum ab, umgeben von fünf unterschiedlich dargestellten Blüten. Besonders auff?llig und der Grund, warum sie hierher bestellt wurde, war die darunter prangende Inschrift, welche in der antiken Arthark geschrieben war. Hinter ihr stand Wenzel, der gleichsam auf die scheinbar uralte, in Stein gehauene Darstellung schielte. Er beobachtete nur still, w?hrend die Dame intensiv überlegte und auf ihrem Pergament weitere Dinge notierte.

  Sie war eine der besten Philologinnen im Reich und der Kaiser hatte sie herbeordert, um ihm die Inschrift zu übersetzen. Stillschweigend stand er nur da und wartete. Dann blickte ihr der Mann über die Schulter und fragte: ?Und wie sieht’s aus. Kann man etwas aus dem herauslesen?“ Die Expertin drehte sich ihm zu und meinte: ?Es handelt sich hier um eine kuriose Begebenheit, Eure Hoheit. Die Schrift ist Arthark, also jene der Gordomannen,,welche diese Gegend in der Antike besiedelten. Aber die Worte selbst sind, wenn man sie übersetzt, nicht in deren Sprache.“ – ?Welche Sprache ist es dann?“, erkundigte sich Wenzel, dessen Interesse dadurch auf jeden Fall geweckt worden war. ?Ich würde sagen, dass es sich um die tote Sprache Ostrisulisch handelt.“ Der Herrscher blickte sie mit fragendem Ausdruck an. Sie erkl?re daraufhin: ?Dies ist die ehemalige liturgische Sprache des Teleiotismus, die noch zu Zeiten Melgars, gelobt sei sein Name, verwendet wurde, obgleich sie schon damals keine aktiven Sprecher mehr hatte, also auch schon tot war. Dessen Sohn Melgar II. ging dann dazu über das Altcamenische als Kirchensprache zu verwenden. Dies ist auch der Tatsache geschuldet, dass die Dynastie des Erkorenen, gelobt sei sein Name, aus Camenia stammte.“ Wenzel hatte schon verstanden. ?Und was sagt der Text jetzt?“ – ?Ich habe es hier notiert. Es ist nicht zu hundert Prozent in unsere Ausdrucksweise übersetzbar, aber sinngem?? hei?t es so viel wie:

  Fünf wertvolle Sch?tze. Fünf Schlüssel zur Ewigkeit. In einer Hand vereint reichen sie das Schicksal in die Zukunft weiter.

  ?Kryptisch. Und nicht sehr hilfreich“, vermerkte Wenzel dazu. Dennoch bedankte er sich bei der Gelehrten für ihre Hilfe und entlie? sie wieder. Danach blickte er noch eine Weile auf das Relief. Die fünf Kugeln, welche alle von unterschiedlich aussehenden Blütenbl?ttern umgeben waren, stellten zweifelsohne die ?5 Sch?tze dar“. Aber was waren diese? Anscheinend hatte man versucht, die Information zu verschlüsseln, damit nur bestimmte Leute sie verstehen konnten, was auch die Benützung einer anderen Schrift für eine Botschaft, die in irgendeiner toten Sprache war, erkl?rt. Bald darauf l?schte er die Kerzen und verschloss den Raum wieder. Als er aus dem labyrinthartigen Keller heraufkam, lief ihm Petra im Palast über den Weg. Sie rannte blindlings in ihn hinein, schreckte sich dadurch und eilte dann sogleich weiter. überrascht drehte sich Wenzel um und schaute ihr nach. Sie bleib gleich danach stehen, wandte sich Wenzel mit einem ver?chtlichen Blick in ihren Augen zu und sagte: ?Meine Verzeihung!“ Dann war sie gleich wieder auf und davon. Der junge Mann war durchaus irritiert von Augusts Ehefrau, welche ihn ganz offensichtlich nicht ausstehen konnte. Das musste sie seiner Meinung nach auch nicht, aber ihre Abneigung schlug sich auch klar in ihrem Verhalten nieder.

  Wenig sp?ter trudelte Petra im Büro ihres Liebsten ein. Dieser war wie immer mit Arbeit besch?ftigt. Als sie eintrat, holte er gerade einige Rollen Pergament vom obersten Fach des Regals herunter, wofür er sich auf den Sessel gestellt hatte. ?Hallo!“, grü?te er sie kurz und stieg dann vorsichtig herunter. Der Kanzler humpelte dann hinüber zu seinem Schreibtisch. Beim Anblick dessen runzelte seine Dame die Stirn und machte einen geplagten Ausdruck. August nahm dies sehr wohl wahr und begann gleich über etwas zu sprechen, um sie von ihren Gedanken abzulenken. ?Also, die Dinge scheinen genauso zu laufen, wie ich es mir gewünscht hatte.“ – ?Was meinst du?“, musste Petra da nachfragen. Ihr Mann entgegnete: ?Die in der Zeemark haben wir erfolgreich austauschen k?nnen. Damit ist eines der potentiellen Hauptprobleme für die dauerhafte Stabilit?t des Reiches einmal beseitigt.“ Seine Frau starrte ihn nur an und nickte stumm. ?Jetzt haben wir zwar noch die wankelmütigen Camenier als Faktor übrig, aber das Geburtsland des Erkorenen ist zutiefst altgl?ubig und hat eigentlich keinen guten ideologischen Grund mit uns nicht übereinzustimmen. Dennoch befürchte ich, dass der alte K?nig und sein Gefolge immer ihr eigenes Süppchen kochen.“ Nach einer kurzen Pause meinte Petra dann: ?Du solltest dich auch um die kümmern! Sie haben euch damals dazu gezwungen, gegen sie zu Felde zu ziehen, bis sie sich endlich unterwarfen. Jedes Problem, das man unerledigt liegen l?sst, wird mit der Zeit nur anwachsen und einen am Ende in den Hintern bei?en!“

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  Unterdessen kehrte Wenzel in sein Arbeitszimmer ein. Man hatte ihm ein paar Dokumente bereitgelegt, die er absegnen sollte. Er las diese durch und tat dann, wie es von ihm erwartet wurde. Nachdem er fertig war, legte er sich ein gebundenes Buch, dessen Seiten alle leer waren, bereit und begann darin zu schreiben. Der Titel lautete: ?De Arte Magica“. Er begann nun alles, was er über Zauberei wusste, schriftlich festzuhalten. Nachdem die Alethischen in ihrer Zerst?rungswut alles alte Wissen darüber vernichtet hatten, begann er nun die Arbeit von vorne, damit die n?chsten Generationen wieder auf dem Wissen ihrer Vorv?ter aufbauen konnten. Dies war essentiell wichtig. Der Kaiser hatte auch nicht die Bedeutung von Wissen vergessen. Er würde nun den Gro?teil aller Wochentage Privatlehrer engagieren, damit er den Wissensstock aufbauen konnte, den er brauchte, um ein ad?quater Herrscher zu sein. Er verstand noch viel zu wenig von den V?lkern von Kaphkos, ihrer Geschichte und Vorstellungen, aber auch davon wie ein Land funktionierte. Sein Erwerb dieser Kenntnisse würde aber viele Jahre dauern. Gut Ding braucht Weile, wie man so sch?n sagt.

  Ansonsten war, au?er seinen Arbeitsutensilien, immer noch nicht viel in seinem Zimmer. Der Erkorene lebte sehr bescheiden. Er trug die die kaiserliche Uniform, um als der Kaiser erkannt zu werden, aber ansonsten brauchte er nicht viel. Sogar das Essen, das er verzehrte, war meist recht ?banal“. Wort darüber ging überall um. Die Geistlichen waren sehr erfreut darüber, dass der Kaiser so tugendhaft und, so wie sie es verstanden, entsprechend den Vorgaben des Heiligen Testaments lebte. Für Wenzel selbst hatte dies aber keinen religi?sen Grund. Er war einfach bescheiden und brauchte nicht mehr, als für ihn n?tig war. Prunk und Opulenz waren ihm zuwider.

  Im Buch notierte der junge Mann nun, dass man seiner Erfahrung nach ?simple Dinge“, wie Telekinese oder Pyrokinese einfach so ohne irgendwas anwenden konnte, und dass es aber dem Anschein nach auch andere ?komplizierte Arten“ von Magie gab, wie beispielsweise Heilungsmagie. Elisabeth hatte diese explizit genannt und dabei von einem Ritual gesprochen. Es sah so aus, als ob man manches nur mit Zauberei tun konnte, wenn man bestimmte Schritte setzte oder Voraussetzungen erfüllte. Was diese waren, wusste der junge Kaiser noch nicht. Danach klopfte es an der Tür und man bat ihn zum Abendessen zu kommen. Hier speiste er nun wieder gemeinsam mit Brahm, Ferenc und Amalie. Das P?rchen sah sich nun jeden Tag. Sie versuchte ihren Freund nicht bei seinen T?tigkeiten zu st?ren, daher verbrachten sie meistens etwas Zeit am Abend miteinander.

  Sie redeten viel und Amalie erz?hlte ihm gerne über ihre Freunde und Familie. Sie hatte auch schon ein paar ihrer alten Freundinnen hierher eingeladen, doch bei den meisten wusste sie gar nicht, ob sie ihren Brief überhaupt erhalten hatten oder wo genau sie nun waren. Es würde noch Jahre dauern bis wieder alles komplett zur Normalit?t und in geordnete Bahnen zurückgekehrt war. ?Deine Eltern sollen auch mal wieder hier vorbeischauen“, schlug Wenzel vor. ?Ich wei? nicht so recht“, erwiderte Amalie darauf etwas z?gerlich. Daraufhin musste der Magier natürlich fragen: ?Wieso denn? Verstehst du dich nicht mit ihnen?“ – ?Doch sicher! Ich habe nur Angst davor, dass sie mich wieder bezüglich unserer Beziehung fragen würden. Ich wüsste nicht, was ich ihnen darauf antworten sollte.“ Wenzel verstand, was sie meinte. ?Du willst sie nicht anlügen, da wir die Sache ja noch nicht offiziell verkündet haben. Das ist es, oder?“ Sie best?tigte seine Spekulation. Er blickte kurz in die andere Ecke des Raumes und dann wieder zurück zu dem M?del. Er sah ihr in die Augen und sie tat dies auch. Die Gesichter beider waren erhellt vom Licht der flackernden Kerze im ansonsten dunklen Raum. Keiner der beiden sagte mehr etwas. Im stillen Kerzenschein n?herten sie sich einander an, bis sie sich dann einen Kuss gaben. Danach sagte Wenzel: ?Ich glaube, dass es Zeit wird es den anderen mitzuteilen.“ Das M?dchen war gewisserma?en froh über diese Entscheidung.

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