home

search

022.3 Thronbesteigung (Teil 3)

  In dem Augenblick, als er den ersten Schritt tat, begannen die ersten Noten aus den Pfeifen mit gewaltiger Intensit?t zu dr?hnen. Eine uralte Hymne wurde angestimmt, deren Vibrationen auf seinem K?rper zu spüren waren, als er langsam die Stufen hinaufschritt. Er trat hinein und vor ihm waren, auf linker und rechter Seite die K?nige, Statthalter, Landesherren, Thronerben, also alle wichtigen Würdentr?ger des neugegründeten Reiches versammelt. Sie alle trugen pr?chtige, reich verzierte Gew?nder, und stellten ihre Titel und Relevanz zu Schau. Unter ihnen befand sich nun auch endlich der K?nig Camenias! Die gesamte Kathedrale, welche zum Bersten voll mit Würdentr?gern war, erhallte in lautem Orgelspiel. Wenzel ging bis fast ganz vorne. Vor dem Altar war ein antiker h?lzerner Thron aufgestellt, welcher noch auf Melgar zurückging. Auf irgendeine Weise hatte dieses Relikt all die langen Jahre überstanden und war nicht zerst?rt worden. Der kommende Ablauf der Zeremonie war Wenzel bekannt, da er ihm zuvor, von einem patriarchalen Nuntius erkl?rt worden war. Der junge Mann hatte auch die Dinge, die er an verschiedenen Stellen der Kr?nungszeremonie sagen sollte, auswendig gelernt.

  Rein technisch gesehen, hatte ihn die Kommune ja bereits als den legitimen Nachfolger der Melgarionen anerkannt, damals als sie das versteckte Dorf in den südlichen Bergen aufgesucht hatten. Doch dies war nun die gro?e offizielle Kr?nung und sie war Tradition und hatte gro?e symbolische und auch weltliche Bedeutung. Der Magier blieb stehen und die Musik endete. Dann wurde eine kurze, eindrucksvolle Fanfare mit den Posaunen geblasen. Bevor der eigentliche Ritus begann, würden nun die Diener der Krone die Geladenen G?ste adressieren und sie auffordern dem neuen Kaiser zu huldigen. Von einer Rolle Pergament lasen diese ab: ?Hiermit pr?sentieren wir Wenzel I., der Erkorene Gottes und unbestreitbare Erbe des Reiches! Alle durchlauchtesten Anwesenden sind hier heute zusammengekommen, um seiner Majest?t die Huldigung zu erbieten und die Treue zu schw?ren. Seid Ihr bereit diesen Aufruf Folge zu leisten?“ Im Einklang antworteten die Versammelten: ?Gott schütze Kaiser Wenzel!“ Alle Blicke waren nun neugierig auf den künftigen Kaiser gerichtet, wovon er gar kein Fan war.

  Es folge eine weitere kurze Fanfare und die Zeremonie begann. Der Zauberer trat nach vorne, hinauf zum Altar, wo er links und rechts davon h?lzerne Sitzb?nke mit fein ornamentierten Darstellungen von Szenen aus dem Heiligen Testament und Blumen sehen konnte. überall waren nun auch wieder die Heiligenstatuen zu sehen, zumindest hier vorne. Ebenso brannten Kerzen und gro?e Ikonen von Melgar, jedoch diesmal nur von ihm, waren aufgestellt. Auf dem Altar ganz vorne waren fünf Gegenst?nde in perfektem Abstand zueinander aufgelegt. Es wurden schnell Sichtschutzw?nde herbeigeschafft, die um den Burschen herum aufgestellt wurden. Er musste sich n?mlich in eine traditionell rein wei?e Tunika als n?chsten Schritt kleiden. W?hrenddessen sang der Chor, quasi als Interludium. Als dies dann geschafft war, trugen die Diener diese W?nde wieder weg und Wenzel setzte sich auf den Thron. Vor ihm hatten sich der Patriarch und ein paar andere Geistliche positioniert.

  Zuerst brachte er das Testament herbei und lie? den künftigen Kaiser schw?ren auf dessen Basis zu regieren, was Wenzel natürlich schwor. An diesem Punkt ist es auch noch wichtig zu erw?hnen, dass der Patriarch die Messe fast zur G?nze in Altcamenisch abhielt, wodurch Wenzel fast nichts davon verstand. Er hatte aber im Vorhinein ausführliche Erkl?rungen bekommen, wie die Zeremonie ablaufen würde, was die jeweiligen Schritte für eine Bedeutung hatten und was gesagt wurde. Zumeist antwortete er, wie schon bei seiner Salbung mit ?Ich gelobe“ oder einer Abwandlung dessen. Dann pr?sentierte ihn seine Exzellenz, denn mit ?Heiligkeit“, durfte eigentlich nur der Erkorene adressiert werden, mit den fünf Regalien, die alle etwas Unterschiedliches darstellten. Er würde nun jedes der Objekte einzeln zum Souver?n bringen und ihm erkl?ren, wofür es stand. Er begann mit dem Schwert Melgars, welches in der Tat jenes war, das ihm Theodor vom besiegten Gawein mitgebracht hatte.

  ?Das Schwert repr?sentiert das Recht und die Pflicht des Herrschers für das Wahre und Richtige zu k?mpfen.“ Der junge Mann nahm das Schwert am Griff und, so wie es der Ablauf verlange, machte vier Schwertstreiche, n?mlich in alle vier Himmelsrichtungen, als Symbol für den universellen Herrschaftsanspruch. Dann h?ndigte er es ihm wieder aus und das n?chste Regal wurde herbeigebracht. Der sogenannte Reichsapfel war einfach ein faustgro?er, goldener Ball, der eine Triquetra oben aufgesetzt hatte. Interessanterweise hatte er keinen Edelstein eingesetzt, so wie die anderen Regalien. ?Die Kugel symbolisiert den Erdball und all seine V?lker, auf dass der Herrscher sie unter der Triquetra vereint und in seiner schützenden Hand h?lt.“ So ging es nun auch weiter mit dem Szepter, das eine Schwurhand an der Spitze und einen blauen Edelstein am unteren Ende hatte. ?Das Szepter steht für das gottgegebene Recht des Herrschers zu regieren und für dessen Verbindung zu Gott. Und hier haben wir noch das Amulett. Es ist ein Symbol des Althergebrachten, das man versuchte zu zerbrechen und der Pflicht des Souver?ns das Verlorene und überlieferte wieder zu übernehmen und weiterzuführen.“ In der Tat waren die zerbrochenen Teile des Steins einfach wieder in die Fassung eingesetzt worden. Nachdem Elias II. von Wenzel erkl?rt bekommen hatte, was mit dem Gegenstand damals passiert war, hatte er sich diese Interpretation dafür ausgedacht. Es war eine sehr gute, wie der Kaiser es empfand, auch wenn sie nicht die ursprüngliche Bedeutung des Regals war. Das letzte der Reichkleinode war die Kaiserkrone, welche ihm schlie?lich vom Kirchenoberhaupt auf den Kopf gesetzt wurde.

  The story has been taken without consent; if you see it on Amazon, report the incident.

  Nun folgten noch ein paar Ges?nge und kleinere Schritte der Zeremonie, doch dann war es schlie?lich vollbracht. Der neu gekr?nte Kaiser ging beim Hauptportal der Kathedrale unter Posaunenspiel hinaus. Ihm folgte die gesamte Entourage. Von den Türmen des Gotteshauses schallten die Kl?nge der Posaunen über die ganze Stadt. Ein neuer Kaiser war gekr?nt! Danach ritten sie los und wieder zurück zum Kaiserpalast, vor dem nun ein gro?es Pult aufgestellt war. Es wurde von Wenzel erwartet eine Rede zu halten. Der frisch gebackene Herrscher mochte dies zwar nicht, hatte aber, da man es unbedingt von ihm verlangte, darauf bestanden, die Rede wenigstens selbst zu schreiben. Die gro?e Gefolgschaft ritt heran und bequemte sich auf vorbereiteten Sitzpl?tzen. Auf den breiten Stra?en standen unterdessen eine riesige Menge an herausgeputzten Soldaten bereit. Theodor würde diese an der Spitze anführen und war deshalb auch hiergeblieben. Als die unz?hligen hohen Herren dann anritten, machte auch er sich bereit und setze sich schon einmal aufs Pferd. Er hatte vor, die gesamte Rede über im Sattel sitzend zu warten, bis sie die Parade beginnen konnten.

  Wenzel ritt an ihm vorbei und konnte dessen immer noch gedrückte Stimmung sofort erkennen. Er hatte dem Helden der Revolution pers?nlich versprochen, dass er unabdingbar für das Reich war und gab ihm die Ehre, die gro?e Siegesparade anzuführen. Dennoch, jedes Mal, wenn der Oberste Marschall die Zügel seines Rosses in die Hand nahm, wurde er daran erinnert, dass er ?kein ganzer Mann“ mehr war, da ihm seine Hand fehlte. Es brauchte nun eine Weile, bis sich alle an ihren Pl?tzen einfanden, dann trat der Erkorene schlie?lich hinauf ans Podium. Alle klatschten und dann ging es los.

  ?Geehrte G?ste! Wir sind hier heute zusammengekommen, um den Abschluss einer weltbewegenden Entwicklung zu feiern. Wir alle haben in den letzten Jahren Blut und Tr?nen vergossen, Geliebte verloren, oder sind gar aus unserem früheren Leben herausgerissen und entwurzelt worden. Die Revolution hat viele Opfer gefordert, doch wenn sie nicht geschehen w?re, h?tte das alethische Regime noch mehr Leben gefordert und das Land in den Abgrund geführt. Es war eine Notwendigkeit dagegen aufzustehen. Auch mein Leben hat sich durch die Vorkommnisse auf den Kopf gestellt. Nun ist der Krieg geschlagen und wir k?nnen wieder Hoffnung sch?pfen auf eine bessere Zeit und auf eine Rückkehr in ein normales Leben ohne Tyrannei und Unterdrückung. Denn das war der eigentliche Grund für die Revolution! Das Volk Ordaniens, die V?lker von Kaphkos haben nicht ihr Leben riskiert und zu den Waffen gegriffen, weil sie immer mit allem, was irgendwer im Widerstand gesagt hatte, übereingestimmt hatten. Nein! Sie waren aus Verzweiflung zu uns gekommen. Sie wussten nicht mehr weiter und konnten weder vor noch zurück. Die Erhebung des Volkes war eine Reaktion auf die grausame Tyrannei des Putschregimes und es war ein Schrei nach Freiheit! Daher müssen wir auch künftig zum Wohle der Menschen im Land arbeiten, dass ihre Leben, und dass die Zukunft eine bessere wird!“

  Alle Adeligen und wichtigen Herrschaften h?rten intensiv zu und waren beim Vernehmen der Aussagen Wenzels absolut baff. Auch Theodor schenkte ihm sein Ohr und als er den letzten Satz des Kaisers h?rte, brach er urpl?tzlich in lautes Gel?chter aus. Die anderen Milit?rs und auch ein paar Adelige drehten sich zu ihm hin, überrascht von dessen Piet?tlosigkeit. Sie verstanden natürlich nicht, wie bedeutsam dieses Verhalten von Theodor eigentlich war. Er war jetzt schon sehr lange in Depression verfallen gewesen, weswegen dieser Ausbruch in Gel?chter ihn scheinbar aus seinem Loch kommen lie?, wenn auch nur für den Moment. Der Armeechef war sichtlich amüsiert von Wenzels Vorstellungen. Der Bursche war offenkundig nicht jemand, der viel von den Eliten hielt. Hinter dem Obersten Marschall konnte er an den freudigen Gesichtern der ehemaligen M?rtyrer erkennen, dass diese mit ihrem Kaiser übereinstimmten. Sehr viele von ihnen waren auch als einfache Bauern und Handwerker aufgewachsen. Sie wussten davon, dass Wenzel einst gemeinsam mit ihnen lebte und k?mpfte und sie sch?tzten ihn dafür sehr. Die hohen Herren des Reiches standen dem wohl v?llig anders gegenüber.

  Als die Rede dann endete, klatschten alle, unabh?ngig davon, was sie von dem Gesagten hielten. Dann war es Zeit für die Parade. Theodor gab das Signal und die ersten Reiter setzen sich in Bewegung. Die Truppen an der Spitze salutierten und riefen laut: ?Preiset die M?rtyrer! Ave Melgar!“ Die Milit?rkapelle begann zu spielen, in deren Rhythmus nun die in Festuniformen gekleideten M?nner am Melgarionenpalast vorbeizogen. Es war ein Riesenl?rm, nicht nur wegen der Pferde und der Musik, sondern auch aufgrund der zahllosen Schaulustigen, die ihnen voll Freude zuriefen. Manche streuten auch Blüten von den Fenstern der hohen H?user auf die vorbeiziehenden Soldaten. Die Fahnentr?ger pr?sentierten die Sonnenfahne des Reiches und die der M?rtyrerbrigaden. Weiter hinten folgten dann auch M?nner, die die Fahnen der Teleiotischen Kirche und Ikonen von Melgar und Elisabeth trugen. Es war ein riesengro?es Spektakel. Wenzel blieb einstweilen am oberen Ende der Treppe des Palastes stehen und sah den durchziehenden Truppen fasziniert zu. Auch ihn beeindruckte all das sehr.

  Der ganze Glanz und Gloria waren nichts, von dem er viel hielt, aber das Schauspiel der siegreichen paradierenden Truppen und der jubelnden Menschenmassen riss ihn doch ein wenig mit. Dies war der Schlussstrich unter der Revolution. So vieles war passiert und so viel hatte sich ver?ndert. Doch es gab keinen Grund, nicht einen, um Trübsal zu blasen. Der Blick war vorw?rtsgerichtet. Somit ging der Tag dann langsam zu Ende und alle würden sich bald wieder auf den Heimweg machen. Eine Normalit?t würde wieder einkehren. Der Tag war sowieso ein anstrengender für den Souver?n gewesen. Er akzeptierte jetzt, dass ihn Leute als besonders behandelten, aber das bedeutete nicht, dass ihm das auch gefiel. Müde sank er an diesem Tag in sein Bett. Von nun an würde er Einiges zu erledigen haben, das nicht nur seine Pflichten umfasste, sondern auch jene Dinge, die er sich pers?nlich vorgenommen hatte.

Recommended Popular Novels